Am Ufer (German Edition)
irgendwie betrifft, dabei wissen sie doch – weil ich geschwätzig damit geprahlt habe –, dass ich für die Schreinerarbeiten des neuen Bauträgerprojekts zuständig bin, oder war. Zum Glück habe ich nie jemandem erzählt, dass ich auch sein Partner beim Bau bin, dass ich in die Häuser von Pedrós meine Ersparnisse gesteckt und Hypotheken aufgenommen habe. Das schien das Rentabelste und, warum nicht, Sicherste zu sein. Das immerhin habe ich verschwiegen, aber sie müssen es erfahren haben, solche Sachen sickern durch, Pedrós selbst kann es ausposaunt haben, bei Essentreffs, am Tresen, bei geselligen Runden. Höchstwahrscheinlich haben sie über das Thema gesprochen, bevor ich dazukam. Carlos, der Leiter der Sparkasse in Olba, wird es angesprochen haben, als er den täglichen Kaffee in der Bar gegenüber seiner Filiale trank. Er wird hier beim Kartenspieleine Bemerkung fallen gelassen haben. Ich glaube nicht daran, dass er das Dienstgeheimnis wahrt. Er wird es ausplaudern, und – dann schon ohne Scheu – streuen, wenn die Stunde der Gläubiger geschlagen hat; in dem Moment, wenn die Sparkasse nicht länger ein Geschäft mit mir macht, sondern sich ein Loch auftut. Wenn sie mich nicht gefragt haben, dann nur deshalb, weil sie es wissen; im Übrigen hat Álvaro bestimmt verbreitet, dass die vorläufige Schließung der Schreinerei nicht, wie das Schild behauptet, das ich zum gegebenen Zeitpunkt ans Tor gehängt hatte, wegen Renovierungsarbeiten erfolgt und alles Weitere bekannt gegeben wird. Mit siebzig fängt man nicht an zu renovieren, und man erwartet auch keine Bekanntgaben außer denen, die einem das Herz, das Kolon oder die Prostata übermitteln. Die skandalöse Plombierung, die von der Polizei vor ein paar Tagen vorgenommen wurde, stellt die Vorläufigkeit in Abrede. Es ist offensichtlich, dass ich nicht deshalb jeden Morgen mit dem Einkaufsbeutel zum Markt gehe, weil ich pensioniert bin und entschieden habe, mich lieber nicht in irgendeinem Kurort zu entspannen oder an die Riviera der Mayas zu reisen. Klar, sie wissen Bescheid, wahrscheinlich wissen sie sogar sehr viel mehr als ich, Klatsch und Tratsch über das, was Pedrós mit meinem Geld angestellt hat; wohin meine Beteiligung geflossen ist. Der Müll eimer. Bestimmt wussten sie schon seit geraumer Zeit von seiner Pleite, sie wussten es früher als ich. Der Gehörnte ist immer der Letzte, der es erfährt, und kennt dementsprechend kaum Einzelheiten von den Perversionen, die seine Frau mit ihrem Liebhaber treibt. Aber diese Hunde können eben ungerührt warten, bis ich so weit bin und zusammenbreche und beichte. Bis ich eines Tages in den Armen meines Kindheitsfreunds losflenne und alles auspacke, ihm mein Herz öffne: Lieber Francisco, Pedrós zieht mich mit in den Abgrund seiner Pleite. Du musst mir helfen. Rette mich. Tröste mich doch wenigstens. Das soll ich sagen. Oder mich mit Justino besaufen und ihm – stotternd und mit pelziger Zunge – offenbaren, was jedermann längst weiß: dass man bei mir gepfändet hat unddass ich mit einem Fuß im Gefängnis stehe, und ihn schluchzend bitten, mich nicht zu vergessen, nicht zu verlassen, er soll mich hinter Gittern nicht allein lassen: Bring mir Tortilla-Plätzchen und Ducados-Zigaretten, irgendwann mal am Wochenende. Ja doch, Esteban, mach dir keine Sorgen, ich komme mit der Plastikdose und einer Kartoffeltortilla in Alufolie, ich werde gemeinsam mit den Zigeunerinnen Schlange stehen, mit den Straftätern aus dem Osten und den Müttern der Junkies aus gutem Hause, die sich das Gesicht halb mit dem Foulard verdecken und sagen, nein, nein, mein Mann und ich, wir stehen nur hier wegen unseres Sohnes, der arme Junge, ein jugendlicher Wirrkopf, schlechte Gesellschaft, Drogen. Wir sind nicht wie diese Leute hier in der Schlange, und ich habe gleich gesehen, dass auch Sie ein Mann von Niveau sind. Man sieht Ihnen an, dass sie diesen Ort zum ersten Mal betreten (ich lache, der unschuldige Justino, ha!), ich sage Ihnen, was Sie machen müssen, nein, Sie müssen sich nicht bedanken. Und mit gesenkter Stimme: Kaum zu glauben, was sich hier versammelt. Man bekommt es mit der Angst zu tun. Zigeuner, Rumänen, Kolumbianer, italienische Mafiosi, russische. Alles Gesindel. Das sieht man meilenweit, dass Sie nicht dazugehören. Ich erkläre Ihnen, wie sie vorgehen müssen: Die Kleidung in eine große Mülltüte, eine von den schwarzen. Und Nahrungsmittel und Toilettengegenstände in einen Plastikeimer. Die kann man
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