Am Ufer (German Edition)
Eigentümer, die ihr Apartment angezahlt und damit den Kürzeren gezogen haben, georderte Materialien, die in den unfertigen Häusern bereits verbaut sind. Er ist abgehauen, wer weiß wohin, nach China, Brasilien. Inirgendein halbwegs zivilisiertes Land, mit dem kein Auslieferungsabkommen besteht.«
Francisco mischt sich ein:
»Davon dürfte es nur noch wenige geben, ich sehe schwarz für unseren Freund. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Pedrós mit Pistole, Tropenhelm und einer Flasche Autan nach Afrika zieht. Er ist als Abenteurer nicht der physische Typ, um es mal so zu sagen, er ist zivilisierter, kosmopolitisch, sein Ding ist der urbane Tourismus: Hotel in der Innenstadt und Must de Cartier.«
Bernal:
»Mit Schengen und dem Muffensausen, das die Banker in der Schweiz bekommen haben, ist es nicht mehr so leicht, das Geld zu vergraben, es ist schwer, ein geruhsames Depot zu finden, ein Pantheon, in dem es sanft ruhen kann. Schwer auch, den Besitzer des Geldes verschwinden zu lassen. Da gibt es Methoden, zweifellos. Fürs Geld gibt es die bestimmt, gigantische Sickergruben, in denen tagsüber all diese Knete getarnt wird, die nachts von hier nach dort fließt: zwischen Drogenhändlern, arabischen Scheichs, den Financiers in London und New York, den Besitzern von Ölquellen, den Kunden der Kunstauktionen, zwischen all jenen, die wirklich reich sind. Um dich selbst verschwinden zu lassen, gibt es immer noch die Option Pitanguy, irgendein Magier der Plastischen Chirurgie, der dein Gesicht verändert und deine Fingerkuppen mit denen einer unbekannten Leiche austauscht, irgendein Toter aus der Dritten Welt, dem zu Lebzeiten nie die Fingerabdrücke abgenommen wurden. Es gibt sicher hundert Millionen von dieser Sorte.«
»Hier nebenan haben sie einen Drogenhändler erwischt, der sich Haut von seinen Zehen an die Finger hat machen lassen, um neue Fingerabdrücke in den Pass zu bekommen. Das habe ich mir nicht ausgedacht. Es stand in der Zeitung.« Justino merkt man an, dass er das Thema beherrscht.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Pedrós und seine Frau in derartige Abenteuer stürzen, sie leben ganz nach ihrer Art, als bequemeBourgeois, obwohl, man weiß nie. Die Not verpflichtet«, sagt Francisco.
Und Bernal:
»Ist doch nicht gerade lustig, Reichtum anzuhäufen, um es dann in einer Zelle zu genießen, umgeben von Psychopathen, Frauenmördern, russischen Schlägertypen und Strichjungen mit 22er Schwanz.«
»Wer weiß, worauf das hinausläuft«, fragt sich Francisco, der die Gelegenheit nutzt, um eine Lektion in Humangeografie zu geben: »Wenn ich mich recht erinnere, gehört Indonesien zu den Ländern, die kein Auslieferungsabkommen mit Spanien haben, und dort kann man sein Geld wirklich genießen: Frauen, Juwelen, gutes Essen. Die Insel Bali gehört zu Indonesien. Prominente feiern dort gern ihre Hochzeit. Schalen mit Früchten und Blumen auf den Häuptern wunderschöner Mädchen (und wenn du sie nicht winzig und dunkelhäutig magst, kannst du immer noch auf das Angebot an speckigen Australierinnen zurückgreifen, die dort ihren Urlaub verbringen), Strände mit Kokospalmen, gute Diskotheken. Allerdings ist das zu naheliegend, die von den Gläubigern angeheuerten Killer würden sie finden. Diese Bulgaren etwa, Spezialisten für Spurensuche und Bestrafung.«
»Das sind nicht Bulgaren, sondern Moldawier. Die Moldawier sollen die Schlimmsten sein, die Grausamsten«, stellt Justino abermals sein obskures enzyklopädisches Wissen unter Beweis.
Kurz schießt mir der Gedanke durch den Kopf, ob ich nicht selbst mit dieser Sozietät der Verfolger in Kontakt treten sollte, um für meinen Anteil zu kämpfen. Aber dazu ist es zu spät, denke ich. Der Weizen ist gemahlen und das letzte Glas ist eingeschenkt. Zeitweise vergesse ich das und stelle weiter Überlegungen an, als hätte ich nicht Stunden, sondern noch Jahre vor mir. Beim Reden mischt Justino fantasievoll die Karten, wie ein Zauberer oder ein Falschspieler, was er ja auch ist, obwohl er sich zu diesen Abendstunden als bescheidener Rentner gibt, wie wir es fast alle tun, auch Franciscound seit Neuestem selbst ich: nichts als Theater. Das Geld, das er dann nachts bei den geheimen Partien – wenn er die Maske ablegt und die Fangzähne zeigt – auf den Tisch legt, um die Rivalen einzuschüchtern, hat in den Sechzigerjahren Großeltern in der Schweiz und in Deutschland gehabt (D-Mark und Schweizer Franken haben Pesetas hervorgebracht, die zu Euros wurden,
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