Am Ufer (German Edition)
sag dir nicht, wozu ich dort war, sagt er, und macht es noch geheimnisvoller, und ich, klagend: Also hör mal, du steckst mir ja die Zunge ins Ohr – wische seinen Speichel ab). Er brüstet sich damit, in jener Nacht ein solches Dusel beim Roulette gehabt zu haben, das Flittchen war Russin, und ihr klebte das Glück offensichtlich an den Nippeln, sie steckte sich die Jetons in den Ausschnitt, rieb sie an den Titten, und dann blieb die Kugel auf seinem Feld stehen; danach erzählt er mir über die Fahrt von Monte Carlo nach Paris in ihrem BMW-Kabrio (
la douce brise de la Provence sur mes joues, la huître au vent
: Klar trug sie keinen Slip, sie fuhr, meine Hände arbeiteten an ihrem Objekt) und von dem Viertelkilo Kaviar, das sie im Kaspia, an der Place de la Madeleine, gleich neben Fauchon, gekauft hatten und in einem Zimmer des Lutetia aßen (noch mehr Champagner, noch mehr Austern), am Boulevard Raspail: das Hotel enttäuschend. Die Möbel, das Bad, das Zimmer mitden staubigen Winkeln, alles aus der Zeit gefallen, hier in Spanien werden die Hotels besser instand gehalten, und die Preise sind weit bescheidener. Es müsste von Grund auf renoviert werden, sagt er. Bestimmt hat Justino dem Geschäftsführer angeboten, die Renovierung durchzuführen (seine Architekten, seine Maurerkolonnen, seine Innenausstatter würden das Lutetia in ein Schmuckkästchen verwandeln), hat seine Visitenkarte auf den Schreibtisch fallen lassen und dafür eine Flasche Champagner gratis bekommen, auch wenn es schwierig ist, den Franzosen was abzuluchsen.
Radins
. Ach der Champagner, den ich aus der russischen Pflaume getrunken habe, war ein Krug Millesimé, so etwas Leckeres, so rauchig, so stark – hast du den mal probiert? Frag deinen Freund Francisco. Er weiß Bescheid, er soll dir die Meinung des Fachmanns, des Verkosters sagen. Mir schmeckt eben der am besten, und ich kenne mich mit Champagner besser aus, als du denkst, also ziemlich gut. Der Krug ist – wie würde es dein Freund Francisco ausdrücken? – streng, elegant, herrschaftlich. Und er begeistert sich weiter an den Details: Kennst du dieses französische Gemälde,
Der Ursprung der Welt
heißt es? Kennst du es? Dieser behaarte Vordergrund. Genauso war die Szene, das, was ich vor Augen hatte, das ursprüngliche schwarze Loch – in diesem Fall rosig und blond –, aus dem alles kommt und in das alles dringt – ich streichelte es mit den Zähnen, mit der Zungenspitze, steckte die Zunge in diesen dichten Wald und berührte die Genesis, nein, nein, sie trug es nicht rasiert, eine ordentliche Mähne, gepflegt, gestutzt, aber doch eine Mähne, ich mag das Haar zwischen den Beinen einer Frau, blondes, seidiges Fell, es lässt das Ding aussehen wie ein zartes, scheues Tierchen, das du streicheln, anknabbern möchtest, ein in die Enge getriebenes Kaninchen, würden wir sagen;
la chatte
, das Kätzchen, sagen die Franzosen: Ich habe den ersten Schöpfungstag mit einem Schlückchen Champagner vernascht und auch das Ende der Welt, ich habe mir die Welt von Anfang bis Ende einverleibt, habe die Zunge in dieses andere einziehbare und leicht gebräunte Loch gesteckt, wo alles endet,von dem aus man aber die Ausgrabung im umgekehrten Sinne beginnen kann, als Reise vom Schatten ins Licht. Ich habe mit meiner Zunge in der süßen Versitzgrube gegraben, ich habe mit dem Rammbär am Ort gegraben, in dem – hélas – andere zuvor hitzig gegraben hatten. Eine Luxusdirne. Aber ich habe mich in jener Nacht dem Alpha und dem Omega genähert. Habe den Anfang und das Ende durchbohrt.
Er schwatzt, lacht, greift mit seinen Pranken dein Jackenrevers, reißt daran, spuckt dir seinen Speichel auf die Hemdbrust, ins Gesicht, und du säuberst dich, ohne dass er sich angesprochen fühlt. Und du willst ihn gern fragen, wann war denn das? Und warum hast du es mir nicht damals erzählt? Aber nein, schon hast du die haarige Pranke auf der Schulter, und sein Gesicht liegt zwischen seiner Hand und dem Stück deines Halses, den die Hand frei lässt, an der Stelle, wo der Vampir zubeißt, und du spürst seinen heißen Atem, das Kitzeln seiner beweglichen Zunge, seinen klebrigen Speichel, und die Mädchen am Tresen schauen schon zu uns hin, vermuten wohl, dass einer von ihnen demnächst ein flotter Dreier blüht.
Den Vögeln auflauern, wenn sie bei Tagesanbruch auffliegen, die Wildschweine erwarten, die im Morgengrauen von den nahen Bergen zum Trinken an die Wasserlöcher kommen, das Geräusch des Schilfs, das
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