Am Ufer (German Edition)
schützt – er vermeidet alles, was protzig wirken könnte –, wissen wir alle, dass er ein Geheimleben führt und sich im Schatten weit über seinen angeblichen Verhältnissen bewegt. Ich spreche nicht von seinen Uhren und Ketten, auch nicht davon, dass seine Frau wie eine wandelnde Juwelierauslage ausschaut, das ist alles Katzengold, der Finger, mit dem er auf die Sonne deutet; ich rede von Grundstückstransaktionen, von Überschreibungen, von Fincas, die auf den Namen eines Neffen, eines Schwagers, der Schwiegereltern oder von Rentnern eingetragen sind, die an Alzheimer oder Altersdemenz leiden und deren Unterschriften man gefälscht hat, wehrlose Strohmänner, die es sich nicht einmal in der größten Verwirrung träumen lassen würden, Besitzer von Apartments, Ladenlokalen, Import-Export-Firmen, Orangenplantagen und Baugrundstücken wie jenen zu sein, die, dank Justino, im Grundbuch auf ihren Namen eingetragen sind; undurchsichtige Geschäfte, von denen man zufällig andere flüstern hört. Und dann ist da das periodische Verschwinden, seine mysteriösen Aufenthalte im Limbus, Reisen, über die du nichts Näheres erfährst, von denen du aber – wie schon gesagt – vermutest, dass siein irgendeinen Kurort führen, in eine exklusive Klinik, wo man Arthritis, Diabetes, Cholesterin und den erhöhten Blutzuckerspiegel bekämpft, Reisen, von denen seine Feinde dann behaupten, es seien Gefängnisaufenthalte in Fontcalent oder Reisen zu irgendeinem kitzligen Geschäft (Thailand, Kolumbien, Mexiko), um den Transport von kaum legalen Substanzen zu koordinieren, Reisen, von denen, wenn erst mal Gras darüber gewachsen ist, seine Eitelkeit dann doch das eine oder andere enthüllt, an einem Abend, an dem er zwei Gläser getrunken hat und du allein mit ihm bist und er dir von einem Club in Paris erzählt, wo es Pärchentausch gibt (du warst doch nicht etwa mit deiner Frau dort?, frage ich. Er: Bist du verrückt? Das erledige ich ganz allein), einem Lokal in Miami (ach, dieses kon fuse Miami, das diejenigen, die etwas bewegen, so sehr schätzen), in dem du am Rezeptionsschalter mit dem Dollar für den Eintritt deine gesamte Wäsche abgeben musst (ja, ja, sogar die Unterhose, er lacht, und das Suspensorium: der derbe Humor schlägt zu; Portemonnaie und Uhr kommen in einen Safe mit Geheimcode), und bevor du an den Tresen kommst und dir einen Whisky bestellst oder ein Gläschen Champagner, ist da der Salon mit den Sofas, die Pools, der Wellnessbereich mit seinen Jacuzzis und Saunas und dann das gewundene Labyrinth kleiner Zimmer mit Betten
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, das Omnium eingeschlossen. Solche Geheimnisse rutschen ihm mal so raus, ein Anekdötchen, aus Angeberei, aus Selbstverliebtheit, es geht mit ihm durch. So etwas zu erzählen macht ihn in den Augen des Gesprächspartners anders, macht ihn interessant, ein Mensch mit Brüchen, erhöht ihn vor meinen Augen, denen eines langweiligen Schreiners, der in den letzten vier Jahrzehnten nicht weiter gereist ist als ins Sumpfgebiet oder in irgendein Zimmerchen vom Ladies, der aber in seiner fernen Jugend durchaus herumgekommen ist in der Welt, ihm also als Komplize dienen kann (du weißt, wovon ich spreche, Esteban, du warst beweglich, hast was erlebt in deinen jungen Jahren, auch wenn du jetzt nicht mehr aus dem Haus gehst – stimmt das eigentlich, dass du auch in den Puff nur gehst, wennich dich hinschleppe? Du bist doch Junggeselle, musst keinem Rechenschaft ablegen), es lässt sein Ansehen in seinen eigenen Augen wachsen, denn das Ansehen inter nos festigt sich durch Anekdoten, die ihm wie ein lästiger Pups so rausgerutscht sind, die er aber dosiert, weiß er doch, dass es sich um Nachrichten handelt, die wie die Grippe übertragen werden, jedoch diffus genug sind, dass sie ihn nicht in Schwierigkeiten mit den einschlägigen Behörden bringen können: Es heißt, er sagt, ich hätte gesagt. Damit die Leute etwas erfahren, genügt es zu sagen: Das bleibt aber unter uns, erzähl es ja keinem weiter.
»Das habe ich dir erzählt? Was du nicht sagst. Das muss mir so rausgerutscht sein, wie viel haben wir denn in der Nacht getrunken? Ach, ich muss mich da bessern, weniger trinken, mir die Zunge abbeißen, bevor ich das Haus verlasse. Ich bitte dich, erzähl es ja keinem weiter.«
Angeblich blau wie eine Haubitze, ist es wieder mit ihm durchgegangen, und er hat mir flüsternd – sein Mund an meinem Ohr – die Auster in Champagner beschrieben, die er in Monte Carlo vernascht hat (ich
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