Am Ufer (German Edition)
ruhig, weitgehend, wenn auch immer weniger, aber langweilig ist es auch, die Dinge sind nicht sehr farbig, wenig Abwechslung, und die Leute, die sind nicht übel, auch wenn nicht alle nett sind, uns Kolumbianer nennen sie Neger, auch wenn wir keine sind, in Kolumbien gibt es ein paar Neger, wie hier in Spanien auch, hier sind die Straßenhändler Schwarze, sie kommen von außerhalb, und auch bei uns wurden die Schwarzen von woanders herangeschafft. Sie kamen aus Afrika, wie die Schwarzen hier. Wir Kolumbianer aber sind Amerikaner, doch hier sagt man Neger zu uns und
conguitos
, da gab’s wohl vor Jahren eine Fernsehwerbung, da waren bäuchige Kaffeebohnen zu sehen, schwarz und mit Beinchen, vielleicht sogar mit kolumbianischem Sombrero. Aber nein, Liliana, wenn die Conguitos hießen, dann sollten die aus Afrika sein, aus dem Kongo, verstehst du, Kakao- oder Kaffeebohnen aus Afrika und nicht aus Kolumbien. Egal, aber jetzt nennen sie uns Kolumbianer Conguitos, das weiß ich von meinem Mann, als er auf dem Bau arbeitete, da nannte man ihn so, diese
conguitos
, diese Panchitos, diese Schwarzen, diese Neger. Das ist,weil die Leute keine Ahnung und kein Gedächtnis haben, Liliana. Und mein Mann konnte an manchen Tagen drüber lachen, und an anderen wurde er wütend, sagte, er werde dem, der ihn so nannte, eine Flasche über den Kopf ziehen. Klar, wütend wird er, wenn er getrunken hat, ein, zwei Gläser zu viel, dann führt er sich so auf; sonst ist er sehr gut zu haben, aber wenn er getrunken hat, brüllt er, bis er müde wird, und geht dann ohne Abendessen ins Bett; nach einer Weile schläft er und schnarcht wie ein kleines Tier, um nicht zu sagen – Sie müssen entschuldigen – wie ein Schwein. Ich hätte gerne, dass er Ihnen ähnlich wäre, so ruhig, so höflich, Sie würden doch nie brüllen oder drohen. Da bin ich mir sicher. Man heiratet ja wie benommen, die Jugend, die Illusionen, als Verehrer zeigen die Männer ja nur ihr Bestes, nur Gutes, und auch das ist manchmal nur vorgespielt. Erst nach der Hochzeit lernt man den anderen richtig kennen. Die alten Frauen wussten es, das war schon immer so, sagten sie, so ist das Leben, aber wir Jungen geben nichts darauf; wenn wir uns verlieben, sind wir blind und wollen nicht auf die Stimme der Erfahrung hören, wir sind so dumm, dass wir uns für die allerersten Verliebten der Welt halten, als hätten wir das mit der Liebe erfunden. Sie, Don Esteban, sind etwas Besonderes, hätten Sie geheiratet, wäre Ihre Frau bestimmt nicht enttäuscht gewesen, ein Jammer, dass Sie nicht geheiratet haben, die Ehe hätte Ihrer Frau bestätigt, dass sie mit einem guten Mann zusammenlebt, der für mich fast so etwas wie ein Vater ist, mehr als ein Vater, denn mein Vater hat sich überhaupt nicht um uns gekümmert, um mich und meine Geschwister; im Gegenteil, er schickte uns arbeiten, und von unserem Verdienst nahm er uns so viel wie möglich ab, um es dann alles in der Kneipe mit seinen Freunden zu versaufen. Manchmal kam er drei, vier Tage nicht nach Hause, Sie können sich vorstellen, in welchem Zustand er dann heimkam, der Kopf war dumpf, die Kleidung zerrissen, er roch nach Frau, war angekokst, und das ganze Geld war weg. Sie sind so ein Vater, wie ihn jeder gern hätte, auch der andere, der alte Herr, obwohl er nicht spricht,so hochgewachsen, so schlank, er muss in seiner Jugend sehr gut ausgesehen haben, und das sage ich nicht, weil Sie gedrungener, fülliger sind, jeder Mensch auf seine Art, aber er hat eine gute Erscheinung, und da sitzt er, so schweigsam, dass man nicht wissen kann, was er am Ende denkt, ich glaube, auch er muss ein sehr guter Mensch gewesen sein, sehr höflich, das merkt man schon an seiner Haltung, an seiner Präsenz, und wenn der Arme auch kein Wörtchen sagen kann, liest man ihm die guten Gedanken an den Augen ab, schon wie er guckt. Man merkt ihm die Güte an. Ihr müsst eine gute Familie gewesen sein. Ein Jammer nur, dass die Mama nicht mehr da ist, aber klar, wenn sie noch lebte, wäre sie so alt wie der alte Herr, das gute Alterchen, also ist es besser, dass die Mama nun ruht, nicht wahr? Das hat sie sich bestimmt reichlich verdient. Sie wird droben im Himmel darauf warten, dass ihr euch zu ihr gesellt.
Was wollen diese Leute, was, glauben sie, kann ein Mann tun, wenn der Kühlschrank leer ist. Im alltäglichen Trott bist du an die Kinder, an die Frau gebunden; wären sie nicht, würdest du jede Menge Verrücktes tun, aber ich glaube auch, dass es
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