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Am Ufer (German Edition)

Am Ufer (German Edition)

Titel: Am Ufer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Chirbes
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wulstigen rosa Lippen auseinanderzog. Es hat eben alles auch seine gute Seite. Das Geld hat, neben tausend anderen Vorzügen, auch eine reinigende Wirkung. Und eine Vielfalt nährender Eigenschaften. Es macht die Äuglein froh, rundet die Bäckchen, fördert diese Art, mit ausgestreckten Beinen und der Zeitung in den Händen im Sessel zu sitzen. Es verleiht dir diese unbefleckten Hände, die aus den gestärkten weißen Manschetten herausragen. Jetzt bist nicht mehr du es, der nachts herumzieht. Du engagierst Hilfsarbeiter und Dienstboten, die für dich die Beute stellen, abmurksen und häuten und damit die notwendige Zutat für den sonntäglichen Eintopf oder die Paella heranschaffen. So ging es schon immer in den guten Fami lien zu: nicht der Hausherr verpasst dem Kaninchen den tödlichen Schlag, nicht die Herrin stößt das Messer in den Hühnerhals und rupft das Tier, dieweil zwischen ihren Beinen der Trog mit den Semmelbröseln steht, damit das Blut ordentlich aufgesogen wird, aus dem die Klöße für die Suppe gemacht werden. Bei den Herrschaften sind die Tiere schon immer gegart angekommen, serviert auf einem Tablett, über dem sich eine silberne Kuppel erhebt, oder im tönernen Schmortopf, zugerichtet und zerlegt bis zur Nichtkenntlichkeit und gerade deshalb in trügerischer Unschuld lecker. So wurde es immer gehalten, und so ist es noch heute; wir selbst haben binnen weniger Jahre diesen privilegierten Status erreicht, frönen dem Sinnentrug, dass wir alle Herren sind: in fernen Fabrikhallen stehendie Arbeiter und töten, häuten, zerlegen und zerkleinern die Tiere, die wir erst konsumieren, wenn sie ausreichend aseptisch wirken: rosafarbene Schnitzel, die eher nach Lachs als nach Färse aussehen dank jener Substanzen, die man hinzufügt, damit das Fleisch attraktiv fürs Auge bleibt und nicht braun wird (ja, attraktiv, ein zerstückelter Kadaver, zerlegt wie nach einer Explosion): Haxen, Koteletts und T-Bone-Steaks, Entrecotes, Lammschultern; Hühnerbrüstchen undschenkel, in eine kleine Polyurethanschachtel gepackt und mit Klarsichtfolie umwickelt, so makellos wie nur möglich, immerhin handelt es sich um einen kleinen Sarg für etwas, das eines gewaltsamen Todes gestorben ist. In der Fleischabteilung des Supermarkts verschwinden die Blutspuren nicht ganz, wir registrieren sie, schauen aber darüber hinweg. Wir bemühen uns, die Zeichen nicht zu entziffern, damit der zerlegte Kadaver uns nicht unheimlich wird; wir stecken ja auch gut weg, was im Fernsehen gezeigt wird, diese Kerle, die auf einer staubigen Straße herumliegen, alle viere von sich gestreckt, Palmen im Hintergrund. In der Unterschicht (der wir in den letzten Jahren glaubten entronnen zu sein) ist kein Raum für metaphysische Diskussionen über die Grenzen des Menschen, wenn er sich ein Recht über andere Tiere nimmt. Es ist, wie es ist. Das Reich der Moral zeigt sich nirgends. Du bist unten, weil du dich nicht weit genug vom Tier entfernt hast. Bei denen von unten geht es eher um Arbeitsstrategien, Methoden, Handhabungen, die bei geringerer Energieverschwendung die Effizienz erhöhen. Sie bewegen sich mit solchen Überlegungen auf der Ebene der Technik: man will nur bessere Ergebnisse bei weniger Mühe. Empirismus: Wie muss man der Ente die Flügel festbinden, damit sie stillhält, wenn du sie schlachtest; auf welche Weise muss man dem Kaninchen den Handkantenschlag in den Nacken verpassen, damit es auf Anhieb stirbt; in welchem Winkel ist dem Schwein das Messer an die Gurgel zu setzen, damit der Blutstrahl direkt in den Kessel trifft, den die Metzgersfrau mit klein gehackten Zwiebeln und Paprika für die Herstellung der Blutwürste bereitgestellt hat.Kein halbwegs intelligenter Reicher widmet sich der Tötung. Sie sind keine Psychopathen. Müssen sie auch gar nicht. Dafür, zum Töten und für die Psychopathien, haben sie ihre Angestellten.
    Er schmetterte Franciscos Überzeugungen ab (Gott billigt nicht, dass man irgendeinem seiner Geschöpfe Leid zufügt), als könnte die Vernunft etwas gegen den Glauben ausrichten. Damals wusste ich noch nichts von den Treibjagden seines Vaters, von dessen sehr eigenem Begriff von der Großwildjagd; ich wusste noch nicht einmal, wie mein Großvater gestorben war und dass mein Vater drei Jahre im Gefängnis gesessen hatte und ich während seiner Abwesenheit geboren wurde. Über alles, was mit dem Bürgerkrieg zu tun hatte, weihte mich erst eine Weile später Onkel Ramón ein.
    »Dein Vater war immer

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