Am Ufer (German Edition)
Wasserrechnungen sowie die städtischen Gebühren beglichen. Und unser Vater war der Einzige, der Zugang zu den Konten hatte. Er legte an und löste auf. Als ich mir vor zwei Jahren bei der Bank die Summe holte, die ich brauchte, um Partner von Pedrós zu werden, und wenig später den Rest, um mich breiter in der Gesellschaft aufzustellen, erfüllte mich der Gedanke mit Schrecken, dass mein Vater sowohl die Vernunft wie die Sprache zurückerlangen könnte, um mich Dieb zu schimpfen. Wobei meinen Zugriff als Diebstahl zu bezeichnen sprachlich nicht eben präzise ist. Man sollte es besser Restitution nennen, oder Vorschuss, oder auch Abtragung all dessen, was er mir schuldet, historische Schuld nennen es jetzt die Politiker aus den Autonomien, wenn sie vom Staat größere Transferleistungen fordern. Auf einem anderen Blatt steht, dass ich mich geirrt oder zu viel riskiert habe, was sollte ich tun, wie hätte ich denn handeln sollen, wer sah schon voraus, was dann kam; dass etwas, das nach Aufschwung, nach einem steigenden Ballon aussah, bald darauf Luft verlieren und zu Boden sinken würde, um dort in Feuer aufzugehen. Ich wollte dieses schmale Kapital, das er so viele Jahre zusammengehalten hatte, fetter werden sehen, unser spezielles Luftgefährtsollte vom Boden abheben, es sollte neben den anderen fliegen, die ich stolz am Himmel schweben sah, das Geld gehörte mir ebenso sehr wie ihm, die Frucht unserer Arbeit in der Schreinerei; es sollte schneller zunehmen, um mir ein würdiges Ende zu garantieren. Es ging darum, die Euthanasie zu bezahlen, für mich wie für ihn, für uns beide, den Ruheort, die Pflege zu finanzieren (Hilfe bei Abhängigkeit, nennen es die Sozialdemokraten, die mein Vater so ausdauernd gehasst hat), die palliative Behandlung; das Geschäft mit Pedrós sollte einen Anabolika-Effekt haben, unsere schlaffen Konten etwas mit Muskeln durchsetzen. Das war alles, aber es war mein und sein Geld, unser beider Geld. Der Hase war ich, ich war mein Urin und mein Fell, ich witterte und jagte mich selbst. Ich habe mich geschossen und die Beute verloren. Nichts zu machen.
Mein Bruder: Wenn euch keines der Modelle, die ich vorschlage, überzeugt, gebe ich mich damit zufrieden, dass ihr mir einen Aval unterschreibt, der so formuliert ist, dass die Banken nie ihre Finger nach euch ausstrecken können. Ich weiß, wie man das macht, insis tierte er unermüdlich – ein Aval, der den Ball an jemand anderen abgibt, eine ganze Lawine von Avalkrediten, er war bei seinem Thema. Ich habe einen Freund in Barcelona, der schon eine Reihe dieser Mogelverträge aufgesetzt hat, bei denen sich die Banken später die Haare raufen, weil sie so was unterschrieben haben: So bettelte er, versuchte uns hinters Licht führen, wann je hat man schon falsche Wechsel einer Bank untergeschmuggelt. Die Banker können dich reinlegen, aber du nicht sie. Und er nervte weiter: Noch nie habe ich um etwas gebeten. Das war auch so eine seiner Lügen: von klein auf hat er nichts anderes getan, als zu bitten. Er bat. Auf jede Art und Weise, mit jedwedem Vorwand, in jeder Tonlage: verführend, drohend, bettelnd, flehend. Er bat um etwas, seit er sprechen gelernt hatte, und davor bat er mit Gesten. Er holte es sich bei meiner Mutter, solange die lebte; damals, ich war ein Halbwüchsiger, hatte er auch bei mir dann und wann Erfolg (nicht viel, ich habe nie viel gehabt: etwas für Süßigkeiten, fürs Kino, als erklein war, für Zigaretten und ein Bierchen, als er sich zu rasieren begann); meiner Schwester hat er auch was abgezogen (aber das Miststück ist zäh, da musst du schon hart melken, und doch kommt nur wenig aus der kleinlichen Zitze), er versuchte es bei den Nachbarn, bei den Freunden, und wir kapierten nie ganz, wie ihm das Geld zwischen den Fingern zerrann, derartig schnell. So klein und schon so verschwen derisch, ein echter Taugenichts, ein Strolch. Mit zwölf ortete er das Versteck, wo meine Mutter das Geld aufbewahrte, und kaufte sich davon ein Rennrad, das man schnell in den Laden zurückbringen musste, wo er es bar bezahlt hatte. Man wollte es nicht zurücknehmen, weil er den Sattel bereits zerkratzt hatte.
Bei jenem Besuch, seiner letzten Gelegenheit, erzählte er uns nicht nur von diesem sagenhaften Geschäft, sondern klagte ein paar Tage später auch darüber, dass er älter werde und sich
unbedingt
eine Wohnung kaufen müsse, etwas Eigenes, um nicht im Alter mit nichts auf der Straße zu stehen, das macht mir Angst, kein Heim zu
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