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Am Ufer (German Edition)

Am Ufer (German Edition)

Titel: Am Ufer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Chirbes
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ich von der Bank bekomme, zurückgezahlt habe. Eine Art Garantie, die keine Garantie ist, denn ihr bekommt ja Zinsen dafür, eigentlich dasselbe, was ihr jetzt schon macht, vermute ich, denn ihr werdet ja Geld angelegt haben, nicht wahr, jedermann hat Termingeld. Was ich euch vorschlage, ist ganz unkompliziert, und ihr müsst euch nicht von eurem Geld trennen, geht kein Risiko ein. Es ist eine Art von Avalkredit, der euer Geld nicht in Gefahr bringt. Der Geruch des Geldes – man weiß, dass Geld in der Nähe ist, aber nicht genau, wo und wie man drankommt – muss auch die anderen Sinne stark beeinträchtigen, ich weiß nicht, wie er sich Hoffnung darauf machen konnte, auch nur einen Cent beim Alten lockerzumachen, der sich doch nie etwas abluchsen ließ. Kein Taschenspielertrick, kein Hütchenspiel, kein Griff an die Weichteile, keiner hat ihm je was aus der Tasche gezogen, weder mit guten Worten noch mit Bitten oder Drohungen. Nicht einmal das nahende Ende machte meinen Vater großzügig. Was will der Scheißalte denn mit der Knete? fragte mein kleiner Bruder, wollte mich zum Komplizen machen, als hätten wir beide dieselben und nicht gegenteilige Interessen, was du bekommst, verliere ich und umgekehrt: wieder Kain und Abel, die langweilige Geschichte. Wann und für was will er es denn ausgeben, im Jenseits wird schließlich kein Papiergeld angenommen. Außerdem,trieb er den Witz auf die Spitze, ist er Kommunist und glaubt nicht an ein anderes Leben. Ich stellte mich dumm: Du siehst ja, wie er mich hält, bei Brot und Wasser; vergaß dabei aber nicht, mein Feld zu bestellen: Ich glaube übrigens nicht, dass er wirklich so viel Geld hat. Er: Aber die Schreinerei läuft doch gut, oder? Pfff, schnaubte ich, als wollte ich damit sagen, soso lala. Natürlich konnte Juan uns das Geld nicht mit geheuchelter Zuneigung entlocken. Weder dem Alten noch mir, der ich ihm in jenen Monaten nicht mal etwas für Zigaretten gab, wenn er mich mal morgens darum bat. Er bettelte, lass mir doch bitte fünfhundert Pesetas für Zigaretten da, für einen Kaffee oder ein Bierchen, wir haben keinen Cent. Mir geht es ähnlich, wehrte ich mich. Ich gab ihnen nichts, sah sie aber rauchen (die Ukrainerin rauchte noch mehr als er) und Bier in La Amistad trinken, der Bar gegenüber, und manchmal im Taxi aus Misent zurückkommen. Ich wollte über ihre Aktivitäten, über die Quellen ihrer Einkünfte lieber nicht Bescheid wissen. Zumindest fehlte es ihnen nicht an Essen. Wenn es ihnen passte, aßen sie bei uns. Das schon. Darin ist mein Vater strikt gewesen, ein guter Vater. Das Essen zu Hause ist für die ganze Familie da, für alle die gleiche Portion Reis, Mangold, Hundshai, die gleichen Weißfische, das gleiche Stück Tortilla für jeden, der eins wollte. Keinerlei Luxus, aber ordentliche Ernährung. Egalitarismus. Jeder nach seinen Fähigkeiten und jedem nach seinen Bedürfnissen. Marx im Urzustand. Aber darüber hinaus, über den Nahrungsbereich hinaus, hat, solange ich denken kann, keiner dem Alten auch nur einen Cent aus der Tasche gezogen. Seine Methode ist einfach: Er zeigt es dir nicht, das Geld, er spricht nicht davon, rechnet nicht damit, man muss davon ausgehen, es existiert gar nicht, hat, seit er denken kann, nicht existiert (wir sind weder Ausbeuter noch Spekulanten). Und das machte Juan verrückt, das Wissen, dass es existieren musste, irgendwo lag, er es aber nicht orten konnte. Er ging davon aus, dass etwas Geld – wie viel auch immer, wenig oder viel – da sein musste, er witterte es und das trieb ihn zur Verzweiflung: Der Hund erregtsich, wenn er den Urin des Hasen riecht, das Fell, und er wittert sogar das Blut, das sein kleines Herz schlagen lässt, findet aber nicht den Eingang zum Bau, in den das Tier geflüchtet ist. Er hechelt, knurrt, scharrt, er bellt, der Hund. Mir waren die Koordinaten des Baus bekannt, und ich sah den Eingang, schaffte aber auch keinen Schritt in die Höhle. In Wahrheit war der Hase nicht besonders groß, ein kleineres Tierchen, aber es schützte sich nicht nur in einem Bau, sondern in dreien: CAM, Banco de Santander und Banco de Valencia. Soviel ich wusste, kein Cent im Haus, nichts von abgesperrten Schubladen oder einem Safe hinter einem Bild. So etwas wie die Heilige Dreieinigkeit: Es war ein und dieselbe Knete, aber ihre blasse Ausstrahlung drang aus drei unterschiedlichen Bankhäusern, dort wurden die Rechnungen der Zulieferer bezahlt, die Schecks der Kunden eingereicht und die Licht- und

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