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Am Ufer (German Edition)

Am Ufer (German Edition)

Titel: Am Ufer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Chirbes
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Juan, der Windhund-Onkel: ein Geizhals, ein Egoist – sich der vielen Male erinnernd, da er den Vater um Hilfe bat, und der sich taub stellte. Sie, die überlebenden Geschwister, die Neffen und Nichten, die Kinder und Enkel von Carmen und von Germán wird die Habgier ein paar Stunden lang zusammenführen, bis sie entdecken, dass die Schubladen im Haus leer sind, nichts mehr auf den Konten ist, die Grundstücke, das Haus und die Werkstatt nicht mehr in Familienbesitz: Dann naht überstürzt das Ende der Verbrüderung, sie werden die Familienbande ersetzen durch die Vertragspapiere einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die zu gerichtlichen Zwecken gegründet wird, und durch den Beschluss einer Umlage zur Bezahlung des Anwalts (einen guten Anwalt, wird einer von ihnen sagen, vermutlich Germáns Witwe. Den allerbesten, denkt dran, es geht gegen die Banken, die Geschichte ist heikel), es gibt Streit mit Bruder Leichtfuß, dem zwangsläufig alles zu teuer ist, was die Schwester aus Barcelona und deren Nachkommen vorschlagen (aus solchen Gründen ist sicher auch der Mann dabei, du willst da doch nicht etwa alleine hin, bei so einem Geschäft sehen vier Augen mehr als zwei), auch die Witwe des Bruders, der seit Jahrzehnten in einem Grab in Misent ruht, seine Kinder und möglichen Enkel. Und wenig später, nachdem das Thema gedreht und gewendet ist, wird nach den ersten Geplänkeln die große Schlacht ausbrechen, das familiäre Waterloo, Rückkehr zum natürlichen Urzustand der Menschheit, alle gegen alle und mit allen Mitteln, kein Erbarmen und keine Unterschiede, Bruder gegen Bruder, Schwager gegen Schwager, Onkel gegen Neffen, Enkel gegen Großeltern, Vettern,die übereinander herfallen und den jeweils anderen verschlingen wollen, denn die Aussichten, etwas zu bekommen, sind sehr bescheiden (wir dürfen nicht vergessen, dass es gegen die Banken geht, eine zähe Angelegenheit), auch wegen mangelnder Erfolge bei den gerichtlichen Eingaben, und das trotz der hohen Honorarrechnung des Anwalts (ihr habt nicht den genommen, den ich als den besten vorgeschlagen hatte, weil die Umlage nicht so viel hergab, kleinlich, selbst wenn es ums Geldverdienen geht; ihr habt diesen gewählt, der am Ende teurer war und sich als Gauner und Pfuscher erwiesen hat, wird die Tussi von Germán klagen), dazu die unvermeidlichen Verdachtsmomente, dass ein Teil der Familie mit dem Anwalt unter einer Decke steckt und die anderen ausschalten will; und erneut die Fortführung des großen Familienkrieges mit anderen Mitteln und auf anderen Schlachtfeldern, die kaltfeuchten Ardennen, das staubige El-Alamein. Und als sie dann schließlich eingesehen haben, dass das einzige, was sie erben können, Schulden sind und sie eine absolute Ruine verteidigen (jetzt gleicht die Inszenierung eher Monte Cassino im Mai 1944, eine verwüstete Landschaft, in der nur noch heruntergebrannte Mauern, stinkende Leichen und ein halbes Dutzend Moribunde zu sehen sind), kommt es zur Auflösung der GmbH und zu einer Trennung ohne Groll. Da verteilt der leichtfüßige Bruder, wer weiß was noch geschehen mag, einen Schwung Küsse, wer weiß, ob er ihnen nicht doch noch mal was abluchsen kann, ein Darlehen, einen Vorschuss, einen Restaurantbesuch oder einen Platz am Esstisch und ein warmes Bett, jetzt wo er alle Anschriften, vor allem aber die Telefonnummern und die Mailadressen hat, die Katzenklappen, durch die sich in unseren Zeiten die Eindringlinge einschleichen; wie gesagt, ein Schwung Küsse und lasst uns wie Geschwister auseinandergehen, ohne Groll. Es bleibt die Hoffnungslosigkeit, das verlorene Ansehen der Familie, auf die man so viel gesetzt hatte, dass man einen Augenblick meinte, es sei unerlässlich, sich dann und wann zu treffen, nur um die Wärme der Zugehörigkeit zum Klan zu verspüren: Damit es weder in Madrid,wo ihr wohnt, noch in Barcelona, wo wir leben, stattfindet, könnten wir uns doch einmal im Jahr irgendwo auf halbem Weg treffen, in Zaragoza, in Teruel, das Kloster dort, das Monasterio de Piedra, ist doch wunderbar, nicht wahr, Pedro? (Das ist Carmen, sie richtet eine rhetorische Frage an ihren Mann.) Wir waren vor ein paar Jahren dort und haben den Wasserfall Cola de Caballo gesehen, er sieht wirklich wie ein Pferdeschwanz aus, ich sag’s ja, alles wunderbar; uns einmal im Jahr sehen und zusammen fein essen (man ging noch davon aus, dass die Reste der Beute auch dafür reichen würden). Kaum zu glauben, so viel Egoismus zwischen Geschwistern,

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