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Am Ufer

Am Ufer

Titel: Am Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo
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vier Tage mit ihm reichten, um dem ganzen Jahr einen Sinn zu geben, in dem sonst nichts Besonderes geschehen war.
    Daher wollte ich nichts fragen. Wir traten Hand in Hand aus der Kirche und gingen in unser Zimmer zurück. In meinem Kopf drehte sich alles – das Priesterseminar, die Große Mutter, das Treffen, zu dem er heute nacht gehen würde.
    Da wurde mir klar, daß ich ebenso wie er meine Seele an dasselbe Schicksal binden wollte. Doch es gab das Priesterseminar in Frankreich, es gab Saragossa. Mein Herz krampfte sich zusammen. Ich blickte auf die mittelalterlichen Häuser, den Brunnen von der vorherigen Nacht. Ich erinnerte mich an die Stille und den traurigen Ausdruck der anderen Frau, die ich einmal gewesen war.
    ›Gott, ich versuche meinen Glauben wiederzufinden. Laß mich nicht allein‹, betete ich, um die Angst zu verscheuchen.
    Er schlief ein wenig, und ich lag wieder wach, blickte auf das sich gegen die Dunkelheit abzeichnende Fenster. Irgendwann standen wir auf, aßen mit der Familie, die bei Tisch nie redete, zu Abend, und er bat um den Haustürschlüssel.
    »Heute wird’s spät«, sagte er zur Frau.
    »Junge Leute müssen sich amüsieren«, antwortete sie.
    »Genießt ja die Feiertage.«
    »Ich muß dich etwas fragen«, sagte ich, kaum daß wir im Wagen saßen. »Ich versuche es nicht zu tun, doch es gelingt mir nicht.«
    »Das Seminar«, sagte er.
    »Ja, genau. Ich verstehe das nicht.«
    ›Obwohl es nicht mehr wichtig ist, überhaupt noch etwas zu verstehen‹, dachte ich.
    »Ich habe dich immer geliebt«, begann er. »Ich habe andere Frauen gehabt, doch ich liebte nur dich. Ich trug die Medaille bei mir, dachte, ich würde sie dir eines Tages wiedergeben, wenn ich den Mut hätte, dir zu sagen: ›Ich liebe dich.‹ Alle Wege führten mich immer wieder zu dir. Ich schrieb dir und öffnete beklommen deine Briefe, weil in einem von ihnen stehen konnte, daß du einen Mann gefunden hast. Damals vernahm ich dann den Ruf zum spirituellen Leben. Oder besser gesagt, ich folgte diesem Ruf, der mich genau wie du seit meiner Kindheit begleitete. Ich fand heraus, daß Gott in meinem Leben zu wichtig war, daß ich nicht glücklich sein würde, wenn ich meiner Berufung nicht folgen würde. Christus blickte mich in jedem Armen an, dem ich auf meinen Reisen durch die Welt begegnet bin, und ich konnte darüber nicht hinwegsehen.«
    Er schwieg, und ich beschloß, nicht in ihn zu dringen.
    Zwanzig Minuten später hielt er den Wagen an, und wir stiegen aus.
    »Wir sind in Lourdes«, sagte er. »Du müßtest das hier einmal im Sommer sehen.«
    Ich sah nur menschenleere Straßen, geschlossene Läden, Hotels mit Scherengittern vor dem Haupteingang.
    »Sechs Millionen Menschen kommen im Sommer hierher«, fuhr er bewegt fort.
    »Auf mich wirkt das hier wie eine Geisterstadt.«
    Wir gingen über eine Brücke. Vor uns lag ein riesiges, von Engeln flankiertes Eisentor, dessen einer Flügel geöffnet war. Und wir gingen hindurch.
    »Rede weiter«, bat ich ihn, obwohl ich kurz zuvor noch beschlossen hatte, nicht nachzuhaken. »Erzähl mir von Christi Antlitz in den Menschen.«
    Ich merkte, daß er das Gespräch nicht fortsetzen wollte. Vielleicht war jetzt weder der richtige Moment noch der richtige Ort dafür. Doch da er einmal begonnen hatte, mußte er es zu Ende führen.
    Wir gingen eine endlose, von schneebedeckten Feldern gesäumte Allee entlang. An deren Ende erkannte ich die Umrisse einer Kathedrale.
    »Rede weiter«, wiederholte ich.
    »Du weißt doch schon alles. Ich bin ins Priesterseminar eingetreten. Während des ersten Jahres bat ich Gott, meine Liebe zu dir in Liebe für alle Menschen zu verwandeln. Im zweiten Jahr fühlte ich, daß Gott mich erhörte. Im dritten Jahr war ich mir sicher, daß diese Liebe, obwohl die Sehnsucht nach dir noch immer sehr groß war, sich allmählich in Barmherzigkeit, Gebet und Hilfe für die Bedürftigen verwandelte.«
    »Und warum hast du mich dann wieder aufgesucht? Warum hast du in mir dieses Feuer wieder entfacht? Warum hast du mir von der Übung erzählt, eine Andere zu sein, mir gezeigt, wie kläglich mein Leben war?«
    Die Worte brachen ungeordnet, zitternd aus mir hervor. Mit jeder Minute sah ich ihn dem Seminar näher und ferner von mir.
    »Warum bist du zurückgekehrt? Warum erzählst du mir erst heute diese Geschichte, wo du doch merkst, daß ich anfange, dich zu lieben?«
    Er ließ sich Zeit mit seiner Antwort. »Du wirst es dumm finden«, sagte er.
    »Ich werde es nicht

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