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Am Ufer

Am Ufer

Titel: Am Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo
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dumm finden. Ich habe keine Angst mehr, lächerlich zu erscheinen. Das hast du mich gelehrt.«
    »Vor zwei Monaten hat mich der Vorsteher meines Klosters gebeten, ihn zu einem Haus zu begleiten, das einer Frau gehört hatte, die gestorben war und ihr ganzes Vermögen unserem Seminar vermacht hatte. Sie wohnte in Saint-Savin, und mein Vorsteher mußte ihre Besitztümer inventarisieren.«
    Die Kathedrale im Hintergrund kam immer näher. Mir war klar, daß unser Gespräch unterbrochen werden würde, wenn wir dort anlangten.
    »Hör jetzt nicht auf zu reden«, sagte ich. »Ich verdiene eine Erklärung.«
    »Ich erinnere mich an den Augenblick, in dem ich das Haus betrat. Von den Fenstern sah man auf die Pyrenäen, deren schneebedeckte Gipfel das Sonnenlicht doppelt hell erstrahlen ließen. Ich begann eine Liste der Gegenstände aufzustellen, hörte aber nach kurzer Zeit damit auf, denn mir war aufgefallen, daß der Geschmack dieser Frau ganz und gar mit meinem übereinstimmte. Sie besaß genau dieselben Platten, die ich auch gekauft hätte, mit Musikstücken, die ich gern gehört hätte, während ich auf die Landschaft dort draußen schaute. Die Regale standen voller Bücher – einige hatte ich gelesen, andere hätte ich gewiß gern gelesen. Ich sah die Möbel, die Bilder, die kleinen, überall verteilten Gegenstände an; es war, als hätte ich sie ausgesucht.
    Von diesem Tag an ging mir das Haus nicht mehr aus dem Sinn. Immer wenn ich zum Beten in die Kapelle ging, wurde mir bewußt, daß mein Verzicht noch nicht vollständig war. Ich stellte mir vor, daß ich mit dir dort wäre, in genau so einem Haus mit dir wohnte, diese Platten hörte, auf die schneebedeckten Berge und ins Kaminfeuer schaute. Ich stellte mir vor, daß unsere Kinder durchs Haus liefen und auf den Feldern um Saint-Savin spielten.« Obwohl ich dieses Haus nie betreten hatte, wußte ich genau, wie es aussah. Und ich wünschte, er würde nichts mehr sagen, um weiterträumen zu können.
    Doch er fuhr fort: »Vor zwei Wochen konnte ich die Traurigkeit meiner Seele nicht mehr ertragen. Ich suchte meinen Superior auf und erzählte ihm alles. Ich erzählte ihm die Geschichte meiner Liebe zu dir und was ich gefühlt hatte, als ich die Liste des Inventars schrieb.«
    Ein feiner Regen begann zu fallen. Ich zog den Kopf ein und knöpfte meine Jacke zu. Ich hatte Angst, zu hören, was nun kam.
    »Da sagte mein Superior zu mir: ›Es gibt viele Arten, dem Herrn zu dienen. Wenn du glaubst, daß dies dein Schicksal ist, so folge ihm. Nur wer glücklich ist, kann Glück verbreiten.‹
    ›Ich weiß nicht, ob dies mein Schicksal ist‹, antwortete ich meinem Vorsteher. ›Mein Herz hat seinen Frieden gefunden, als ich beschloß, in dieses Kloster einzutreten.‹
    ›Dann geh nach Saint-Savin, um jeden Zweifel zu zerstreuen‹, sagte er. ›Bleib in der Welt, oder kehre ins Kloster zurück. Doch du mußt mit Herz und Seele an dem Platz sein, den du dir erwählt hast. Ein geteiltes Reich kann den Angriffen des Feindes nicht widerstehen. Ein geteilter Mensch kann dem Leben nicht in Würde begegnen.‹
    Er griff in die Tasche und reichte mir etwas. Es war ein Schlüssel.
    Der Vorsteher hat mir den Schlüssel zu jenem Haus geliehen. Er sagte, der Verkauf des Hauses könne noch warten. Ich weiß, er wollte, daß ich mit dir dorthin zurückkehre. Er war es, der diesen Vortrag in Madrid arrangierte – damit wir uns wiedertreffen.«
    Ich betrachtete den Schlüssel in seiner Hand und lächelte nur. In meinem Herzen jedoch war es, als würden Glocken läuten und sich der Himmel öffnen. Er würde Gott auf eine andere Weise dienen – an meiner Seite. Und darum würde ich kämpfen.
    »Nimm den Schlüssel«, sagte er.
    Ich streckte meine Hand aus und verwahrte ihn in meiner Tasche.
    Jetzt lag die Basilika vor uns. Noch bevor ich etwas sagen konnte, trat jemand auf ihn zu und begrüßte ihn. Der feine Regen fiel unablässig, und ich fragte mich, wie lange wir dort wohl bleiben würden; mein einziger Gedanke war, daß ich keine Wäsche zum Wechseln hatte und deshalb nicht naß werden durfte.
    Ich versuchte, mich darauf zu konzentrieren. Ich wollte nicht an das Haus denken – an die Dinge, die zwischen Himmel und Erde schwebten und auf die Hand des Schicksals warteten.
    Er rief mich heran und stellte mich ein paar Leuten vor. Sie fragten, wo wir untergebracht seien, und als er Saint-Savin sagte, meinte einer, daß dort ein heiliger Eremit begraben sei. Er erzählte, jener habe

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