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Am Ufer

Am Ufer

Titel: Am Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo
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gelernt hätte, auch mit dieser Situation fertig zu werden. Was aber jetzt, hier, geschah, das konnte ich nicht begreifen. Dies war nicht der Katholizismus, den man mich in der Schule gelehrt hatte. So hatte ich mir den Mann meines Lebens nicht vorgestellt.
    ›Der Mann meines Lebens, wie merkwürdig‹, sagte ich mir, überrascht von den Worten, die mir in den Sinn gekommen waren.
    Dort am Bach, gegenüber der Grotte, fühlte ich Angst und Eifersucht. Angst, weil alles dies neu für mich war, und was neu ist, erschreckt mich immer. Eifersucht, weil ich allmählich begriff, daß seine Liebe größer war, als ich gedacht hatte, Bereiche mit einschloß, in die ich nie vorgedrungen war.
    »Vergib mir, Heilige Mutter Gottes«, sagte ich. »Vergib mir, denn ich bin kleinlich, engherzig, weil ich die Liebe dieses Mannes ganz allein für mich haben will. Und wenn es nun wirklich seine Berufung war, die Welt zu verlassen, sich in das Priesterseminar einzuschließen und mit den Engeln zu reden?«
    Wie lange würde er widerstehen, bevor er das Haus, die Schallplatten und die Bücher hinter sich ließ und seiner wahren Bestimmung folgte? Und selbst wenn er nicht wieder ins Seminar zurückging, welchen Preis müßte er dafür zahlen, daß ich ihn von seinem wahren Traum fernhielt?
    Alle schienen ganz und gar in ihrem Tun aufzugehen, nur ich nicht. Mein Blick hing an ihm, und er redete die Sprache der Engel.
    Einsamkeit trat an die Stelle von Angst und Eifersucht. Die Engel hatten jemanden, mit dem sie reden konnten, und ich war allein.
    Ich weiß nicht, was mich dazu trieb, zu versuchen, diese merkwürdige Sprache zu sprechen. Vielleicht der übermächtige Wunsch, ihm zu begegnen, ihm zu sagen, was ich fühlte. Vielleicht mußte meine Seele mit mir reden – mein Herz war voller Zweifel und brauchte dringend Antworten.
    Ich wußte nicht genau, was ich tun sollte. Das Gefühl, lächerlich zu wirken, war sehr stark. Doch hier waren Männer und Frauen allen Alters, Priester und Laien, Novizen und Nonnen, Schüler und alte Menschen versammelt. Sie gaben mir Mut, und ich bat den Heiligen Geist, mir zu helfen, die Mauer der Angst zu überwinden.
    ›Versuch es‹, sagte ich mir. ›Du mußt nur den Mund aufmachen und den Mut aufbringen, Dinge zu sagen, die du nicht verstehst. Versuch es.‹
    Ich versuchte es. Doch zuvor betete ich, daß diese Nacht, die einem langen Tag folgte, von dem ich nicht mehr recht wußte, wie er angefangen hatte, eine Epiphanie werden möge, ein Neuanfang für mich.
    Gott schien mich zu erhören. Die Worte strömten freier aus mir – und verloren allmählich die Bedeutung, die sie in der Sprache der Menschen haben. Das Gefühl von Peinlichkeit schwand, mein Mut wuchs, die Sprache strömte frei heraus. Obwohl ich nichts von dem verstand, was ich sagte, erfaßte meine Seele den Sinn.
    Nur schon, daß ich den nötigen Mut aufgebracht hatte, sinnlose Dinge zu sagen, wirkte euphorisierend auf mich. Ich war frei, brauchte mein Handeln nicht mehr zu rechtfertigen. Diese Freiheit hob mich in den Himmel – wo eine größere Liebe, die alles vergibt und sich nie verlassen fühlt, mich wieder in sich aufnahm.
    ›Mein Glaube scheint zu mir zurückzukehren‹, dachte ich voll Staunen über all die Wunder, die die Liebe zu tun imstande ist. Ich spürte die Heilige Jungfrau an meiner Seite, wie sie mich im Arm hielt, mich umhüllte und mit ihrem Mantel wärmte. Die fremdartigen Worte flossen immer schneller aus meinem Munde.
    Unwillkürlich begann ich zu weinen. Freude durchströmte mein Herz, erfüllte mich. Sie war stärker als alle Ängste, als meine kleinlichen Gewißheiten, als der Versuch, jede Sekunde meines Lebens zu kontrollieren.
    Ich wußte, daß dieses Weinen ein Geschenk war, denn die Nonnen hatten uns in der Schule gelehrt, daß die Heiligen in der Ekstase weinen. Ich öffnete die Augen, sah in den dunklen Himmel hinauf und fühlte, wie meine Tränen sich mit dem Regen vermischten. Die Erde war lebendig, das Wasser, das von oben kam, brachte das Wunder aus der Höhe wieder zurück. Und wir waren ein Teil dieses Wunders.
    »Gott kann also eine Frau sein, das ist gut so«, sagte ich leise, während die anderen sangen. »Wenn es so ist, dann hat sein weibliches Antlitz uns lieben gelehrt.«
    »Laßt uns Gruppen von je acht Personen bilden und gemeinsam beten«, sagte der Priester auf spanisch, italienisch und französisch.
    Ich war verwirrt, wußte wieder nicht recht, wie mir geschah, als jemand von links auf

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