.Am Vorabend der Ewigkeit
Sie fühlten sich schuldig, weil auch sie Driff nicht sofort geholfen hatten. Lediglich Poyly, Toys beste Freundin, war anderer Meinung.
»Ob du lügst oder nicht, ist jetzt egal. Ohne Gren wären wir jetzt schon längst tot. Er war es, der uns aus dem Stamm der Ulme rettete.«
»Nein, die Mordweide hat uns gerettet«, sagte Toy.
»Aber es war Gren ...«
»Halte dich da 'raus, Poyly. Gren muß gehen. Ich habe es gesagt, und so wird es geschehen.«
Die beiden Mädchen standen sich zornig gegenüber; ihre Hände lagen auf den Griffen ihrer Messer.
»Er ist unser Mann. Wir können ihn nicht fortschicken.« Poyly schüttelte den Kopf. »Du redest Unsinn, Toy.«
»Wir haben immer noch Veggy, oder hast du das vergessen?«
»Veggy ist noch ein Knabe, das solltest du wissen.«
Veggy trat wütend einen Schritt vor.
»Ich bin alt genug, Poyly. Bin fast genauso alt wie Gren.«
Die beiden Mädchen drängten ihn zurück und stritten weiter. Auch die anderen begannen zu streiten, bis Gren sich einmischte und rief:
»Ihr seid alle Narren. Keiner von euch weiß, wie man aus dem Niemandsland herauskommt. Ich aber weiß es. Was wollt ihr ohne mich anfangen?«
»Wir kommen auch ohne dich zurecht«, sagte Toy, dann fügte sie hinzu: »Wie sieht denn dein Plan aus?«
Grens Lachen war bitter.
»Du bist mir ein feiner Anführer, Toy. Du weißt nicht einmal wo wir sind. Hast du noch nicht bemerkt, daß wir den Rand des Niemandslandes erreicht haben? Dreh dich nur um, dann kannst du unseren Wald sehen.«
Und mit ausgestrecktem Arm deutete er an ihr vorbei.
10
Während ihrer überhasteten Flucht aus dem geborstenen Baumstamm hatten sie kaum auf ihre neue Umgebung geachtet. An Grens Worten konnte kein Zweifel bestehen. Sie standen am Rand des Niemandslandes.
Die verkrüppelten und knorrigen Bäume wuchsen hier dichter. Ihre Zweige verwoben sich miteinander und bildeten so eine Barriere. Dazwischen wucherten Bambus und Dorngestrüpp. Das Gras war hoch und glashart; es hätte vermocht, den Arm eines Menschen vom Rumpf zu trennen. Auf den ersten Blick war ersichtlich, daß niemand diese Bastion der großen Feige überwinden konnte, ohne sein Leben bei dem Versuch zu verlieren.
Dahinter wuchs hoch und dunkel der eigentliche Wald auf, durch die Bastion der Vorläufer gegen Angriffe von See her geschützt. Er war die Heimat der Menschen, aber jetzt zeigte er ihnen nur seine mörderische Abwehr. Sie kamen aus dem Niemandsland, wo der Wald nur Feinde kannte.
Gren beobachtete die Gesichter seiner Gefährten, während sie die tödliche Dickichtzone betrachteten. Nichts bewegte sich. Die leichte Brise vom Meer konnte die harten und gepanzerten Blätter nicht zum Rascheln bringen. Alles war still und wie tot.
»Jetzt seht ihr es selbst«, unterbrach Gren endlich das Schweigen. »Laßt mich nur hier zurück und versucht, durch das Dickicht zu gehen. Es wird mir ein Vergnügen sein, euch zuzuschauen.«
Er sonnte sich in seiner Überlegenheit.
Sie sahen ihn an, betrachteten dann wieder die Barriere und sahen zu ihm zurück.
»Du weißt auch nicht, wie wir da hindurch sollen«, sagte Veggy unsicher. Gren schnaubte nur verächtlich.
»Und ob ich es weiß«, behauptete er selbstsicher.
»Glaubst du, die Termiten würden dir helfen?« fragte Poyly.
»Nein.«
»Wer denn?«
»Ich werde es euch sagen, wenn ihr mir folgt.« Er starrte sie der Reihe nach an, kalt und herausfordernd. »Toy ist dumm, ich aber habe ein Gehirn. Ich will nicht ausgestoßen werden. Ich will euch anstelle Toys führen. Macht mich zu eurem Anführer, und ich werde euch in Sicherheit bringen.«
»Du bist nur ein Knabe«, sagte Toy verächtlich. »Du redest zuviel. Du prahlst nur.«
Die anderen murmelten miteinander. Als Shree sprach, war Zweifel in ihrer Stimme.
»Nur Frauen dürfen Anführer sein, niemals Männer.«
»Toy ist ein schlechter Anführer!«
»Nein, das stimmt nicht«, behauptete Driff eifrig. »Sie ist tapferer als du.« Einige stimmten zu. Niemand vertraute Gren, aber auch ihr Vertrauen in Toy war nur begrenzt. Poyly sagte ruhig:
»Du kennst die Gesetze, Gren. Wenn du uns nicht den Weg zur Sicherheit verrätst, werden wir dich ausstoßen.«
»Und wenn ich es euch verrate – was dann?«
»Dann kannst du bei uns bleiben – aber nicht als unser Anführer.«
»Das bestimme ich.«
»Du verstößt schon wieder gegen die Gesetze.«
»Poyly, du willst dich mit mir streiten.«
»Nein, ich will nur nicht, daß man dich ausstößt, Gren. Ich
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