.Am Vorabend der Ewigkeit
wir verloren.«
»Poyly und ich sind müde. Du weißt nicht, was Müdigkeit ist aber du hast versprochen, daß wir ausruhen können.«
»Immer wollt ihr schlafen. Zeigt den Hirten zuerst, wie stark ihr seid.«
»Wie sollen wir das, wenn wir müde und schwach sind?«
»Willst du während des Schlafes getötet werden?«
Die Morchel siegte, wie immer. Gren verlangte, daß man sie zum Großen Mund führe. Die Hirten waren erschrocken, aber dann ergriff Hutweer die Initiative.
»Wie ihr wollt, so geschehe es, Geister. Komm her, Iccall!« rief sie laut. Ein noch junger Mann lief herbei. In seinem Haar trug er einen weißen Fischknochen. Er reckte Poyly seine Handflächen entgegen. »Er wird euch zum Großen Mund führen. Er ist unser bester Sänger. In seiner Gegenwart seid ihr sicher.«
Wieder stiegen sie hinauf in die gleißende Hitze des ewigen Tages. Geblendet schlossen sie die Augen. Iccall lächelte.
»Es ist nicht weit bis zum Großen Mund.«
Poyly lächelte zurück. Iccall hatte große, dunkle Augen und war auf seine Art genauso schön wie Yattmur.
»Du hast einen schönen Knochen im Haar«, sagte sie. »Sie sind selten. Ich werde dir einen schenken.«
»Gehen wir endlich?« Gren war ärgerlich. Er hatte noch nie einen Mann so dumm grinsen sehen. »Wie kann ein Sänger einen Feind wie den Großen Mund bezwingen?«
»Der Mund singt auch, aber ich singe besser.« Iccall war nicht beleidigt. »Folgt mir.«
Der Boden war erstarrte Lava, auf der nichts Grünes wuchs. Selbst die Feige, die Tausende von Kilometern überwunden hatte, fand hier keine Nahrung und keinen Halt. Ihre vordersten Stämme zeigten tiefe Narben vom letzten Lavafluß des Vulkans. Luftwurzeln versuchten vergeblich, in den schmalen Spalten Fuß zu fassen.
Iccall schob einen Vorhang dieser Wurzeln beiseite und deutete nach vorn.
»Der Große Mund – da ist er.«
Das Lavafeld erstreckte sich vor ihnen und stieg allmählich an. Es bildete einen hohen Kegel, der die Landschaft beherrschte. Aus dem Gipfel des Kegels stieg eine feine Rauchfahne und formte sich zu einer Wolke.
»Der Große Mund atmet«, hauchte Iccall.
Gren sah weit hinter dem Berg den grünen Vorhang des Waldes. Er fühlte, wie die Morchel ihn zwang, weiter den Kegel zu betrachten, dabei durchforschte sie wieder seinen Erinnerungsspeicher. Nicht lange, und sie hatte gefunden, was sie suchte.
»Keine Sorge, Gren. Der Große Mund ist nichts als ein kleiner Vulkan. Wahrscheinlich sogar ein längst erloschener. Es mag in seinem Innern manchmal grollen, aber das ist auch alles.«
Sie kehrten zu den Höhlen zurück.
»Wir haben den Großen Mund gesehen und fürchten ihn nicht«, erklärte Gren den Hirten. »Jetzt möchten wir schlafen.«
»Wenn der Große Mund ruft, muß jeder zu ihm gehen«, sagte Hutweer. »Vielleicht hast du wirklich keine Angst vor dem Großen Mund, aber du hast ihn nur schweigend gesehen. Wenn er singt, wirst auch du tanzen.«
»Und die Fischer? Sie leben am Fluß, ganz in der Nähe des Mundes. Tut er ihnen denn nichts?«
Darauf wußten die Hirten keine andere Antwort als:
»Die Fischer haben lange, grüne Schwänze. Niemand tut ihnen etwas.«
Gren lachte. Die Morchel drängte ihm eine Rede auf.
»Wie könnt ihr glauben, daß Menschen grüne Schwänze haben, Hirten? Aber wenn wir geschlafen haben, werden wir zum Fluß gehen und mit den Fischern sprechen. Wir werden uns mit ihnen vereinigen und einen großen Stamm bilden. Vielleicht finden wir noch andere Sippen, die sich uns anschließen. Wir brauchen dann keine Angst mehr zu haben, denn alle anderen werden uns fürchten.«
So stellte die Morchel sich das vor. Sie würde dann genügend Menschen haben, wenn die Zeit zu ihrer Vermehrung kam. Sie wurde sie alle beherrschen.
Gren sprach weiter:
»Nicht länger mehr werden wir schwache Kreaturen sein die ständig auf der Flucht vor Feinden sind. Wir werden den Wald besiegen. Nur die guten Pflanzen lassen wir leben. Wir werden so stark sein, daß wir die Herren dieser Welt werden, so wie unsere Vorfahren es einst waren.«
Schweigen antwortete ihm. Die Hirten sahen sich an. Auch Poyly sagte nichts. Grens Worte waren ihr zu hoch; sie verstand sie nicht.
Gren schloß die Augen und war sofort eingeschlafen.
Als auch Poyly schlief, trieb Hutweer die anderen aus der Höhle.
»Laßt sie schlafen. Ja, du gehst auch, Yattmur. Später kannst du dich um sie kümmern, wenn sie erwachen.«
»Sie sind merkwürdige Leute.«
»Merkwürdig oder nicht, Geister
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