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Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)

Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)

Titel: Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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auf.
    »Sorry für die unnötige Störung«, sagt Dengler.
    Als sie wieder auf die Straße treten, hat der Regen für einen Moment aufgehört. Aber noch immer hängen schwere graue Wolken tief über der Stadt.
    »Ruf mich nie wieder mitten in der Nacht an, wenn nicht wirklich etwas Ernstes vorgefallen ist.«
    »Wieso nimmt er nicht ab, wenn ich anrufe? Das hat er noch nie gemacht.«
    »Du musst dich langsam daran gewöhnen, dass Jakob erwachsen wird. Er hängt nicht das ganze Leben an deiner Rockschürze. Du musst lernen, loszulassen.«
    »Du bist immer noch dasselbe Arschloch. Gut, dass ich dich rechtzeitig losgelassen habe.«
    »So sehe ich das mittlerweile auch.«
    Dengler drückt ihr den Schirm in die Hand und geht.

Zweiter Tag

Montag, 20. Mai 2013

Monolog Carsten Osterhannes
    Eines habe ich bei meinem Studium in den USA wirklich gründlich gelernt: Es gibt nur eine Methode, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Damit meine ich nicht, popliger Mittelständler zu werden. Ich meine: vorne zu sein, ganz vorne, an der Spitze zu stehen. Die Methode ist im Grunde einfach. Man muss ein Produkt, das bisher wenigen vorbehalten war, allen günstig verkaufen. Henry Ford schuf für das Auto, zunächst Luxusobjekt der Reichen, einen Massenmarkt. Der Schlüssel dazu waren Arbeitsteilung und Fließband. Exotisches Obst für alle – Hertie. Schöne Kleider für alle Frauen – Neckermann und Otto-Versand. Computer für jedermann – Apple. Einfache Kommunikation für alle – Internet, Google und Facebook. Aus der verrückten Idee, jedem ein Funkgerät zu verkaufen, entstand der Handymarkt.
    Meine Idee: Lasst das Volk Fleisch essen.
    Vorbei sei die Zeit, als nur der Fürst mit Schwein und Hirsch und Rinderfilet und Fasan tafeln durfte. Vorbei die Zeit, als es nur sonntags Fleisch gab. Vorbei die Zeit, als die Mutter dem Vater das größte oder sogar das einzige Stück Fleisch servierte. Vorbei das Elend. Gutes Leben für alle.
    In aller Bescheidenheit: Mein Verdienst über Generationen und Ländergrenzen hinweg ist, dass das beliebteste Lebensmittel aller Zeiten heute in Europa allen zugänglich ist. Jederzeit. Ohne Probleme. Nur mit einem Griff in die Kühltheke im Supermarkt. Nicht nur bezahlbar – sondern günstig.
    Mit Stolz kann ich von meinem Lebenswerk sagen: Ich habe der Demokratie gedient. Ich habe maßgeblich zur Demokratisierung des Fleischkonsums beigetragen. Wer kann Ähnliches von sich sagen? Da gibt es nur wenige in Deutschland. Eine Handvoll vielleicht.
    Der Schlüssel zum Erfolg sind immer hohe Stückzahlen. Das ist Gesetz. Es gilt eisern. Unumstößlich. Es gilt in jeder Branche. Automobil, Mode, Fleisch, egal. Hohe Stückzahlen verringern die Kosten pro Stück. Die Fleischindustrie ist eine Industrie wie jede andere auch. Auch bei uns gilt das Gesetz der hohen Stückzahl. Das ist in der Schlachterei nicht anders als im Automobilbau. In diesem Punkt sind wir gleich. Die Unterschiede liegen woanders. In der Automobilindustrie werden einzelne Teile angeliefert und daraus entsteht ein neues Ganzes, das Auto. Bei uns wird ein ganzes Tier angeliefert und es verlässt die Fabrik zerlegt in einzelne Teile; das ist der Unterschied.
    Es geht immer um die Kosten pro Stück. Und diese Kosten sind umso geringer, je höher die Stückzahlen sind. Ich habe das nicht erfunden. Ich habe es nur auf den Bereich angewendet, den ich kenne. Ich bin ein Bauernsohn. Mein Vater dachte in Erträgen pro Hektar. Ich ernähre ganze Völker.
    Billig.
    Mit Fleisch.
    Eine einfache Idee.
    Aber genial.
    In aller Bescheidenheit.
    Massenproduktion bedeutet Logistik.
    Massenproduktion bedeutet Datenverarbeitung.
    Beides ist heute günstig.
    Weil Logistik und Datenverarbeitung heute auch ein Massenmarkt sind.
    Es sind fünf Regelkreise, die ineinandergreifen. Der erste – logistische – Kreislauf ist die Beschaffung der Tiere. Der zweite Verpackung und Materialien. Der dritte Kreis heißt Entsorgung. Und der vierte Kreislauf ist die Beschaffung der Arbeitskräfte. Der letzte Regelkreis ist der Vertrieb.
    Es ist faszinierend.
    Mein Imperium ist eine eigene Welt. Eine Welt, in der Rädchen in Rädchen greift, alles ist aufeinander abgestimmt, alles bedingt sich. Mein Imperium ist ein Körper, und wie bei jedem anderen Körper entstehen fortwährend neue Zellen und alte Zellen vergehen. Jeden Tag werden in unseren Unternehmen Hunderttausende neuer Küken geboren, sie wachsen jeden Tag, und sie sterben jeden Tag, und alles Wachsen und Vergehen der

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