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Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)

Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)

Titel: Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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wirst sehen. Es geht ohne auch. Gar besser und gesünder.«
    Laura, die Eifrige. Mit glühenden Wangen.
    »Jetzt sind wir also alle Veganer?«, fragte Cem die Freunde.
    »Klar«, sagte Simon, und Jakob nickte.

27. Stuttgart, Denglers Büro, vormittags
    Die Türklingel schellt erneut, laut und aufdringlich.
    Hildegard starrt ihn an. »Was bedeutet das?«
    »Es bedeutet, dass Jakob diese Nachricht nicht geschrieben hat. Du hattest recht, Hildegard. Irgendetwas stimmt nicht.«
    Die Türklingel läutet jetzt Sturm. Olga verlässt den Raum.
    »Und was machen wir jetzt?«, flüstert Hildegard.
    »Ich werde Jakob finden.«
    »Ich mach mir so große Sorgen.«
    »Ich werde ihn finden.«
    Die Tür des Büros öffnet sich, und Olga führt einen hochgewachsenen Mann in dunkelblauem Anzug, einem blendend weißen Hemd und einer grün-weiß gestreiften Krawatte herein. Er geht aufrecht und federnd, seine Haare sind kurz geschoren, vielleicht auch deshalb, weil es ohnehin nicht mehr viele sind.
    »Dr. Holger Schmidt von der Asperg-Versicherung«, verkündet Olga und klingt wie eine perfekte Sekretärin.
    Der Mann kommt mit ausgebreiteten Armen auf Dengler zu. »Ich bin froh, dass wir endlich einen …«
    »Ich hab keine Zeit für Sie.«
    Dr. Schmidt bleibt mitten in der Bewegung stehen: »Sie haben keine Zeit für mich? Wir haben einen Termin. Wir wollen Sie beauftragen …«
    »Tut mir leid. Ich kann nicht für Sie arbeiten. Es ist etwas dazwischengekommen.«
    »Und dann lassen Sie mich hier bei Ihnen antanzen? Am Pfingstmontag? Sie hätten mich anrufen können, wenn …«
    »Tut mir leid, wirklich.«
    »Sie brauchen sich bei uns nicht mehr um Aufträge zu bemühen.«
    »Tut mir leid.«
    »Tut Ihnen leid? Ist das alles?
    »Ja, das ist alles. Im Moment. Entschuldigen Sie. Ich habe zu tun.«

28. Stuttgart, Hildegards Wohnung, vormittags
    Wie lange ist er schon nicht mehr in Hildegards Wohnung gewesen? Acht Jahre? Zehn Jahre? Zwölf Jahre? Irgendwann hatte sie zu ihm gesagt, sie wolle ihn nicht mehr in ihrer Wohnung sehen. Jakob sei alt genug, allein durchs Treppenhaus zu gehen, außerdem habe der Junge immer einen Wohnungsschlüssel bei sich, es genüge also, wenn Dengler ihn bis zur Haustür bringe. Der Kleine protestierte, er wollte, dass sein Vater ihm noch eine Geschichte vorlas oder, was Dengler damals oft tat, eine für ihn erfand. Nun musste er Jakob erklären, dass er keine Zeit habe, dass er den Weg in den zweiten Stock alleine finden würde, dass er schon ein großer Junge sei, dass er ein anderes Mal vorlesen würde; kurzum, er musste dem Kind erneut Hildegards Beschlüsse verkaufen, als seien es seine eigenen, und er konnte das nur tun, indem er Jakob anlog. Dengler hasste sich dafür.
    Andererseits war es ihm aber auch recht. Er kam sich fehl am Platz vor. Hier war das Terrain von Hans. Oder bereits eines anderen Liebhabers? Er wusste es nicht, aber er erwischte sich dabei, dass er kontrollierte, wie viele Zahnbürsten auf der Ablage im Bad lagen. Gab es Rasierzeug im Toilettenschrank? Er rief sich selbst zur Ordnung: Das geht dich alles nichts mehr an.
    Und: Er musste die Mutter-Sohn-Kommunikation nicht mehr ertragen. Hildegard kommandierte Jakob ununterbrochen herum: Wasch dir die Hände, zieh dir Hausschuhe an, halt mal still, iss die Spaghetti nicht mit den Fingern, räum dein Zimmer auf, zieh einen Pullover an, klettere nicht auf den Baum, komm da sofort wieder runter, wirf deine Schultasche nicht in die Ecke. Jakob jedoch kümmerte sich nicht darum, es ging ihm, wie man so sagt, zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Nach einer Weile wurde Hildegard laut und brüllte ihren Sohn an. Jakob fing dann an zu heulen, aber er machte trotzdem immer, was er wollte. Hildegard kommandierte, und Jakob kümmerte sich nicht drum.
    Dengler kamen die beiden vor wie ein seit vielen Jahrzehnten verheiratetes Paar, das sich ein schrulliges Familienleben zugelegt hatte. Die Frau mosert, der Mann hört nicht mehr zu. Er zog daraus die Konsequenz, seinem Sohn keine Vorschriften zu machen und ihm keine Befehle zu erteilen. Ausnahmen gab es nur, wenn die Sicherheit Jakobs auf dem Spiel stand, beim Überqueren einer Straße, bei ihren Spaziergängen am Neckar. Er erklärte ihm, dass er ihn nicht herumkommandiere, und wenn doch, dann sei es unumstößlich, als habe der liebe Gott selbst gesprochen.
    Und jetzt schließt Hildegard die Haustür auf, und Dengler geht wie selbstverständlich mit in die Wohnung im zweiten Stock, als

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