Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)
Außerdem sind da noch außen die Gitter. Wahrscheinlich, damit keine Tierschützer eindringen.«
Über den Witz lacht niemand.
»Gib mir mal den Stuhl.«
Simon reicht Cem den Stuhl. Er holt aus und stößt mit der Lehne gegen das Fenster.
Nichts. Nicht der kleinste Sprung in der Scheibe.
Er holt noch einmal aus. Ohne Erfolg.
»Ich brauche etwas Festeres zum Rammen. Am besten irgendein Metallstück.«
Nichts zu finden.
Cem untersucht die Schlösser der Türen.
»Alles solide deutsche Wertarbeit.«
»Wir müssen warten«, sagt Simon. »Wir sind dazu verdammt zu warten, bis diese Arschlöcher uns wieder laufen lassen.«
30. Stuttgart, Jakobs Zimmer, abends
Surrend fährt der Rechner hoch. Zu dritt sitzen sie an Jakobs Schreibtisch. Hildegard auf der linken Seite auf dem alten Holzstuhl, den sie aus der Küche geholt hat, Dengler in der Mitte auf Jakobs blauem Schreibtischstuhl, und Olga sitzt ganz rechts; sie hat sich den kleinen Hocker herangezogen, auf den Jakob jeden Abend die Kleidung für den nächsten Tag legt.
Etwas, das Hildegard auch ihm beigebracht hat. Ihr hat es immer missfallen, dass Georg seine Klamotten am Abend einfach auf die Couch warf und seine Socken irgendwo auf dem Boden des Schlafzimmers verstreute. Ihr zuliebe legte er am Abend seine Kleider ordentlich auf einen Stuhl. Aber manchmal vergas er es, und je länger ihre Ehe dauerte, desto öfter. Dann warf sie seine Socken einfach in den Mülleimer.
Dengler schaut zu seiner Exfrau herüber, nur ein scheuer Blick. Sie haben viel zusammen erlebt. Jetzt starrt sie konzentriert auf den Bildschirm, der immer noch dunkel ist.
Dengler ist Olga dankbar. Er hatte sie angerufen, und sie hat sofort ihren Spezialrechner eingepackt und ein Taxi zu Hildegards Wohnung genommen.
Sie startet Jakobs Rechner, aber weder Hildegard noch Dengler kennen sein Passwort. Olga schraubt das Gehäuse des Rechners auf, nimmt die Festplatte heraus und schließt sie an ihren Computer an. Jetzt versucht sie ihn zu starten.
Sie arbeitet konzentriert. Ihre Finger fliegen über die Tastatur, und Dengler sieht noch einmal mit einem schnellen Blick zu Hildegard. Ihre Augenbrauen sind zusammengezogen, eine markante Falte zieht sich über ihre Stirn. Sie ist misstrauisch.
Auf Olgas Bildschirm erscheint ein Dateiverzeichnis.
»Ein ordentliches Kind«, sagt Olga.
Die Falten auf Hildegards Stirn graben sich tiefer.
Hoffentlich gibt es keinen Streit zwischen meinen beiden Frauen. Sofort denkt er: was für eine dämliche Formulierung. Das sind nicht meine beiden Frauen. Die eine ist meine ungeliebte Exfrau, und die andere ist Olga. Und Olga ist meine Liebste.
Trotzdem, sie sollen Frieden halten.
Das Verzeichnis hat drei Ordner: »Schule«, »Tiere«, »Menschen«.
Dengler zeigt auf den Ordner »Menschen«, und Olga klickt ihn an. Er ist leer. Keine einzige Datei befindet sich darin. Olga geht auf das Verzeichnis »Schule«. Es öffnet sich ein neuer Verzeichnisbaum, und Dengler liest: »Deutsch«, »Mathe«, »Bio«, »Englisch«, »Latein«, »Geschichte«.
Sie öffnen jedes Verzeichnis. Es enthält Schulaufgaben, Überlegungen zu Schillers Wilhelm Tell, Musterlösungen zu Matheaufgaben, deren Fragestellung Dengler schon nicht mehr versteht, eine Ausarbeitung über die Machtergreifung Hitlers.
»Ich komme nicht an seine E-Mails.«
Hildegard seufzt tief, sagt aber nichts.
Nach einer Weile sagt Olga: »Er hat sie verschlüsselt. Eingehende und ausgehende Nachrichten. Nicht einmal die NSA kann sie lesen. Die Adressen kann ich vielleicht öffnen.«
»Wir schauen uns erst mal die anderen Verzeichnisse an.«
Olga klickt auf das Verzeichnis »Tiere«. Ein Passwort wird verlangt.
»Das dauert einen Moment«, sagt Olga. Sie startet ein Programm, ihr Rechner arbeitet, gleichmäßig summt der Lüfter ihres Laptops.
»Möchtet ihr einen Tee?«, fragt Hildegard.
Olga sieht hoch. »Gerne«, sagt sie.
»Ich hätte lieber ein Bier«, sagt Dengler.
Hildegard steht auf und hantiert in der Küche. Sie bringt Dengler ein Bier, und ein paar Minuten später serviert sie Olga einen grünen Tee. Der Rechner arbeitet, nach einer Stunde ist das Passwort geknackt.
»Es heißt Laura01 «, sagt Olga.
Es öffnet sich ein weiterer Verzeichnisbaum: »Kälber«, »Puten«, »Hühner«, »Schweine«, »Rinder«.
Olga klickt auf den ersten Ordner: »Kälber«. Auch dieses Verzeichnis ist von einem Passwort geschützt. Ebenso die Verzeichnisse mit den anderen Tiernamen.
»Das dauert«,
Weitere Kostenlose Bücher