Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)
vor der Tür. Er registriert die im Klingelschild eingebaute Kamera. Hat dieser Verein etwas zu verbergen? Er wird es herausfinden.
Er läutet. Lang und laut. So wie er als Zielfahnder geklingelt hat, wenn er Wohnungen durchsuchte. Lang und laut. Mehrmals.
»Ja bitte?«
»Bitte öffnen Sie. Ich suche dringend Jakob Dengler.«
Sofort geht die Tür auf.
Dengler betritt das schmucklose, sachliche Treppenhaus und steigt auf der Steintreppe nach oben. Im ersten Stock steht an eine Glastür gelehnt ein jüngerer Mann. Dengler schätzt ihn knapp über dreißig. Dunkle Designerbrille, schwarze kurze Haare, Backenbart, grüne Hose, blaues Hemd, darüber ein grünes Kapuzenshirt. Typ Schreibtischtäter mit Alternativtouch, denkt Dengler. Hat er Jakob zu kriminellen Aktivitäten verleitet? Er wird es herausfinden. Sympathisch ist ihm der Typ nicht. Eher verdächtig.
»Sind Sie von der Polizei?«, fragt der Dunkelhaarige, und das macht ihn in Denglers Augen erst recht suspekt.
»Sehe ich so aus?«
»Ja.«
»Ich bin der Vater von Jakob und suche meinen Sohn.«
»Das trifft sich gut. Wir suchen ihn auch.«
Der Mann tritt von der Tür zurück und bittet Dengler einzutreten. An den Wänden des Flurs stehen Holzregale, gefüllt mit Broschüren und Infomaterial. Fleischatlas heißt eine Broschüre, Pelz ist Mord eine andere, Vegetarier sind Klimaschützer eine dritte. Ein Stapel Kochbücher Lecker Veggie. Ein Bündel neuer T-Shirts liegt ebenfalls in dem Regal. Der Aufdruck auf der Brust in grünen großen Buchstaben lautet: Pflanzenfresserin.
Dengler fühlt sich unwohl. Er weiß nicht, warum.
Der Mann mit dem Bart deutet auf einen kleinen Tisch. Sie setzen sich. Er stellt sich als Rainer Wieland vor, Geschäftsführer des Vereins Menschen für Tiere.
»Wir suchen Jakob dringend«, sagt er. »Er hat sich technische Ausrüstung ausgeliehen, die er vor zwei Tagen zurückbringen wollte. Seither ist er verschwunden. Das Material ist teuer, und wir brauchen es jetzt.«
»Technische Ausrüstung?« Dengler runzelt die Stirn.
»Zwei Kameras, drei Nachtsichtgeräte, Tonaufnahmegeräte und zwei hochempfindliche Fotoapparate.«
»Wollen Sie behaupten, Jakob sei ein Dieb?«
»Nein, normalerweise ist er ein zuverlässiger Junge. Es ist untypisch, dass er sein Wort nicht hält. Er bringt mich in eine schwierige Situation. Wir brauchen die Geräte dringend.«
»Was hat Jakob mit Ihrem Verein zu schaffen?«
Wieland streicht sich langsam über seinen Backenbart.
»Jakob hat Ihnen nicht erzählt, was er bei uns tut?«
Dengler antwortet nicht.
»Wenn Ihr Sohn Ihnen das nicht erklärt hat, werde ich es auch nicht tun.«
Doch, das wirst du, denkt Dengler und ballt eine Faust. »Jakob ist verschwunden, und seine Mutter und ich sind in großer Sorge.«
»Wenn Jakob vor Ihnen gewisse Geheimnisse bewahrt, werde ich diese Geheimnisse nicht lüften.«
»Haben Sie ihn angerufen? Er hat doch ein Handy.«
»Jakob nimmt nicht ab.«
»Haben Sie ihm eine SMS geschickt?«
»Nein.«
»Jakob ist möglicherweise in Gefahr. Er nimmt das Telefon nicht ab, aber beantwortet SMS .«
»Tatsächlich? Dann werde ich ihm eine gesalzene Nachricht schreiben.«
Wieland greift in seine Hosentasche und zieht ein altmodisches Funktelefon heraus, auf dem er sogleich einen Text eintippt.
»Warten Sie«, sagt Dengler und legt dem Mann eine Hand auf den Arm. »Hören Sie: Vielleicht hat Jakob mir tatsächlich nicht vertraut. Ich weiß es nicht. Das spielt jetzt aber keine Rolle. Jetzt ist nur wichtig herauszufinden, ob er in einer gefährlichen Situation steckt.«
Wieland unterbricht das Tippen. »Was kann ich tun?«
»Was würde Jakob antworten, wenn Sie ihn fragen, wann er endlich den X3-Konverter zurückbringt?«
»Er würde mich fragen, was das ist. Und er würde mir antworten, dass er das Ding nicht hat. Übrigens, was ist ein X3-Konverter?«
»Keine Ahnung. Ich habe ihn gerade erfunden.«
Wieland nickt langsam, dann tippt er weiter auf sein Handy ein. Er zeigt Dengler, was er geschrieben hat.
Jakob, wo zum Teufel steckst du? Ich brauche sofort einen zuverlässigen Termin, wann du den X3-Konverter zurückbringst. Rainer.
Dengler nickt, und Wieland schickt die Nachricht ab. Dann legt er das Handy auf den Tisch.
»Was hat mein Sohn mit Ihrem Verein zu tun?«
»Warten wir erst einmal ab, wie und ob Jakob antwortet.«
Sie sitzen sich gegenüber und starren sich an. Er wird diesen Mann zwingen, ihm Auskunft zu geben.
Dengler steht auf und geht
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