Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni
Eine Tür ging auf. Sie hörte das Klicken eines Schalters, und grelles Licht blendete sie. Mary kniff die Augen zusammen. Die Tür wurde geschlossen.
»Ich sehe, die Patientin ist wach«, sagte eine freundliche Stimme. Sie klang irgendwie vertraut. Mary öffnete langsam die Augen und blinzelte gegen das Licht der nackten Birne, die direkt über ihrem Kopf baumelte.
»Ich hoffe, Sie sind ausgeruht. Wir haben viel zu tun.«
»Wo bin ich?«, fragte Mary.
Es kam keine Antwort. Mary hörte das Geräusch von Schuhen, die sich über den Boden bewegten. Sie versuchte, die Person zu erkennen, die am Fuß des Tisches stand.
»Was fehlt mir? Warum bin ich hier?«
Eine Gestalt schob sich zwischen Mary und die Glühbirne. Sie sah das Stück eines grünen Krankenhauskittels, wie Chirurgen ihn bei einer Operation tragen. Marys Herz machte einen Satz. Eine Nadel stach in eine Vene in ihrem Unterarm.
»Was tun Sie da?«
»Ich gebe Ihnen nur etwas, das Ihre Schmerzempfindlichkeit erhöht.«
»Was?«, fragte Mary, weil sie nicht sicher war, ob sie richtig verstanden hatte.
Plötzlich schnürte sich ihr die Kehle zusammen. Sie spürte, wie Wärme sie durchströmte. Jeder Nerv in ihrem Körper kribbelte. Sie atmete schwer und fing an zu schwitzen. Ihre Poren verströmten den Geruch der Angst. Das Laken unter ihr war plötzlich feucht und rau, und die Luft, die über ihre nackte Haut strich, fühlte sich an wie Schleifpapier.
Ohne jede Vorwarnung glitt eine Hand über ihre linke Brust. Sie fühlte sich unglaublich kalt an, wie Trockeneis. »Bitte«, flehte sie, »sagen Sie mir, was mit mir passiert!«
Ein Daumen streichelte ihre Brustwarze, und die Angst, die sie durchzuckte, hob ihren Körper ein winziges Stück von der Tischplatte.
»Gut«, sagte die Stimme. »Sehr gut.«
Die Hand wurde weggezogen. Wieder war es völlig still. Mary biss sich auf die Unterlippe und versuchte, ihr Zittern unter Kontrolle zu bringen.
»Bitte, reden Sie mit mir!«, flehte sie. »Bin ich krank?« Mary hörte das unverkennbare metallische Klicken von aneinander stoßenden chirurgischen Instrumenten. »Werden Sie mich operieren?«
Der Arzt antwortete ihr nicht.
»Ich bin Mary Sandowski. Ich bin Krankenschwester. Wenn Sie mir sagen, was Sie vorhaben, verstehe ich es, dann habe ich keine Angst.«
»Wirklich?«
Der Arzt kicherte und stellte sich neben Mary. Sie sah Licht auf dem glatten Stahl einer Skalpellklinge funkeln. Jetzt stammelte sie vor Angst, aber der Arzt weigerte sich noch immer, ihre Fragen zu beantworten, und fing stattdessen an, eine Melodie zu summen.
»Warum tun Sie das?«, schluchzte Mary.
Zum ersten Mal schien der Arzt für eine ihrer Fragen Interesse zu zeigen. Er schien kurz zu überlegen, beugte sich dann über sie und flüsterte: »Ich tue das, weil ich es will, Mary. Weil ich es kann.«
7
Amanda Jaffe spürte, wie ihr Fuß von den Fliesen des Schwimmbeckens abglitt, als sie für die letzte Runde ihres Achthundert-Meter-Freistil-Trainings wendete, und sie musste strampeln, um ihren Körper wieder in die richtige Position zu bringen. Amanda war bereits am Rande der Erschöpfung, trotzdem setzte sie noch zu einem Schlusssprint an. Als sie durch das brodelnde Wasser die Beckenwand sah, biss sie ein letztes Mal die Zähne zusammen, katapultierte sich vorwärts und stieß an den Fliesen an. Vor ihr an der Wand hing eine Uhr. Amanda schob sich die Schwimmbrille in die Stirn. Als sie ihre Zeit sah, stöhnte sie auf. Sie war nicht einmal in der Nähe des Ergebnisses, das sie vor fünf Jahren im Finale der PAC-10-Meisterschaften geschwommen hatte.
Amanda zog die Badekappe vom Kopf und schüttelte ihre langen schwarzen Haare. Sie war ein imposante Erscheinung, jahrelanges Wettkampfschwimmen hatte ihre Schultern breit und muskulös gemacht. Als ihr Atem sich normalisiert hatte, sah Amanda noch einmal auf die Uhr. Auch die Erholungsspanne war deutlich länger als auf dem Höhepunkt ihrer Karriere mit einundzwanzig. Kurz dachte sie daran, einfach mehr zu trainieren, aber sie wusste, dass sie ihren Leistungszenit überschritten hatten. Sie stemmte sich aus dem Becken und ging zum Jacuzzi, um sich von den Wasserstrahlen den Schmerz aus den müden Muskeln massieren zu lassen.
Nachdem sie sich angezogen hatten, ging Amanda zur Rezeption des YMCA und stellte sich in die Schlange, um den Spindschlüssel gegen ihre Mitgliedskarte einzutauschen. Die Frau vor ihr war ihr schon beim Duschen aufgefallen. Sie hatte die harte, muskulöse
Weitere Kostenlose Bücher