Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni
meinem Garten und meinem Haus. Ich habe sie nicht gefragt, was sie dort suchen.« Er hielt kurz inne. »Das kann doch nichts mit der Geschichte zu tun haben, aus der du mich letztes Jahr herausgeholt hast, oder?“
»Kaum. Der Fall wurde wegen Voreingenommenheit abgewiesen.«
»Aber was ist dann los?«
»Spekulieren bringt jetzt nichts. Wie ist deine Telefonnummer im Haus?«
Cardoni machte ein verdutztes Gesicht.
»Ich will mich aus erster Hand informieren. Die Polizei ist wahrscheinlich noch immer dort. Ich werde den Verantwortlichen fragen, was los ist.«
Cardoni rasselte seine Nummer herunter, und Frank verließ das Zimmer. Amanda war es unangenehm, mit Cardoni allein zu sein, aber er zeigte kein Interesse an ihr. Er rutschte auf dem Sofa hin und her, stand dann auf und ging im Wohnzimmer auf und ab. Er betrachtete flüchtig die Kunstwerke und nahm einige Gegenstände in die Hand. Dann ging er zu dem Sofa, auf dem Amanda saß, und stellte sich hinter sie. Sie wartete, dass er sich wieder bewegte, aber er tat es nicht. Als sie die Situation nicht mehr aushielt, drehte sie sich seitwärts, sodass sie den Chirurgen ansehen konnte. Er stand hinter ihr, und sein Blick ruhte auf dem Gemälde an der gegenüberliegenden Wand. Amanda hatte das Gefühl, dass er sie beobachtet hatte, war sich aber nicht sicher.
»Wir fahren zu deinem Haus, Vince«, sagte Frank, als er ins Wohnzimmer zurückkehrte.
»Haben sie dir gesagt, was los ist?«
»Nein. Ich habe mit Sean McCarthy gesprochen, dem verantwortlichen Detective. Er wollte mir meine Fragen nicht beantworten. Vince, Sean ist Detective des Morddezernats.«
»Morddezernat?«
Frank nickte und beobachtete Cardonis Reaktion. »Sean ist ein scharfer Hund, ein sehr scharfer. Er sagte, er will mit dir reden. Als ich herumdruckste, drohte er gleich mit einem Haftbefehl.«
»Soll das ein Witz sein?«
»Er klang, als meinte er es sehr ernst. Gibt es etwas, über das wir uns Sorgen machen müssten? Ich begleite einen Mandanten nicht gern zu einem Gespräch mit einem Mordermittler, wenn ich nicht vollständig im Bilde bin.«
Cardoni schüttelte den Kopf.
»Okay. Hör gut zu! Ich habe verdammt wenige Fälle verloren, aber wenn einer meiner Mandanten verurteilt wurde, dann hat er sich meistens selbst um Kopf und Kragen geredet. Sag also nichts, bis ich dir mein Einverständnis signalisiere. Wenn du auf Fragen antwortest, dann achte genau darauf, was man dich fragt. Gib nichts freiwillig preis. Hast du das verstanden?«
Cardoni nickte.
»Dann lass uns fahren!« Frank wandte sich an Amanda. »Ich fahre mit Vincent. Du folgst uns in unserem Auto!«
Auf der Fahrt zu Cardonis Haus kam Amanda zu der Einsicht, dass sie Franks Mandanten nicht mochte. Es hatte ihr nicht gefallen, wie er sie gemustert hatte, als Frank sie vorstellte. Es war äußerst störend, so klinisch begutachtet zu werden, ohne Lust oder Freundlichkeit. Auch die Schnelligkeit, mit der er seine Wut ausgeschaltet hatte, während er sie betrachtete, hatte etwas Enervierendes. Doch all die düsteren Gedanken über den Arzt waren bald vergessen in der Aufregung, dass Frank sie an einem potenziellen Mordfall teilhaben ließ.
Seit ihrem Einstieg bei Jaffe, Katz, Lehane and Brindisi hatte Amanda wie alle Anfänger nur die Arbeiten übertragen bekommen, die sonst niemand tun wollte. Sie recherchierte gern, und deshalb betrachtete sie die vielen Stunden in der juristischen Bibliothek auch nicht als Zeitverschwendung. Aber eigentlich wollte sie Fälle verhandeln, und je höher der Einsatz, desto besser. Sie wusste nicht so recht, ob Frank sie mitgenommen hatte, weil er sie an Cardonis Fall beteiligen wollte oder weil er eine Rückfahrgelegenheit brauchte. Es war ihr gleichgültig. In jedem Fall war sie beim Beginn einer Mordermittlung dabei.
Cardoni lebte in einem großen, verwinkelten gelb-weißen Haus im holländischen Kolonialstil auf einem Morgen Land, umgeben von Buchen, Eichen und Pappeln. Als Amanda vorfuhr, sah sie Beamte der Portland-Polizei in ihren schwarzen Jacken das Grundstück absuchen. Polizeiautos blockierten die Garage, Cardoni stellte deshalb seinen Porsche auf der Straße ab, und Amanda parkte dahinter. Sean McCarthy wartete an der Haustür auf sie.
»Frank«, sagte McCarthy mit einem Lächeln.
»Schön, Sie mal wieder zu sehen, Sean. Das ist Dr. Cardoni und das ist meine Tochter Amanda. Sie ist Anwältin in meiner Kanzlei.«
McCarthy nickte Amanda zu und streckte Cardoni die Hand hin, die der
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