Amarilis (German Edition)
Positronenproduktion?
Verzweifelt rieb er sich die Stirn. ‚Zumal die Ansiedlung in unterirdischen
Schächten einen ständigen Wärmeausgleich notwendig gemacht haben mußte.’ Er
dachte an die hitzebeständigen Körper der Santoganer. Auch sie hatten sich
imgrunde erst durch die Positronen entwickelt. Die Saurier waren vielleicht
ähnlich widerstandsfähig geworden.’ Er musste in Gedanken an seine
Lieblingsinterpretation unwillkürlich lächeln. ‚Aber die Saurier selbst konnten
nicht der eigentliche Schlüssel zu den Positronen sein. Sie folgten nur dem Weg
der Pflanze, die für sie Nahrung bedeutete.’ Erregt stand er auf. ‚Da musste
noch etwas anderes sein. Ein Einfluss, der direkt die Verarbeitung des Klimawechsels,
die veränderte Synthese und die Positronen erklärte.’
In diesem Augenblick kam Sam Wilckens zu ihm. »Schauen Sie
sich das mal an, Steff.« In seinen Händen lagen mehrere Papiere, zum größten
Teil ältere Aufzeichnungen der Santoganer, einige neuere, die voller Zahlen und
deren Ränder mit irdischen Bemerkungen versehen waren. »Ich weiß noch nicht,
wie ich es deuten soll. Aber die zeitliche Kongruenz ist verblüffend.«
Steff nahm die Blätter in die Hand und betrachtete sich die
Ziffern näher. Sie ergaben eine Berechnung der jährlichen Erdrotation und waren
über den Bereich der letzten 200 Jahre erstellt worden.
Zuerst konnte er nichts Besonderes daran finden, doch dann
stutzte er. »Beträgt die tägliche Umdrehung der Erde um die eigene Achse am
Äquator nicht 464 Meter pro Sekunde?«
Sam nickte bedeutsam.
»Aber dann ist sie hier ja schneller als sonst!« Steff
fehlten vor Verwunderung die Worte. Eilig machte er sich noch einmal daran, die
gesamte Berechnung durchzugehen. Aber er stieß immer wieder auf dasselbe Mittelmaß.
Er hatte auch nicht bezweifelt, dass Sams Computer korrekt arbeitete. Nur lag
in dieser Tatsache der Vergangenheit eine weitreichende Bedeutung für die
Zukunft.
Um sich herum nichts mehr wahrnehmend, starrte er vor sich
hin. Der Umstand, dass sich die Erdrotation manchmal einwenig veränderte, war
schon seit langem bekannt. Ihm war bisher nur keine besondere Bedeutung beigemessen
worden. Zu der Zeit betrug die Rotationsbremsung der Erde durch den Mond nur
ein Drittel von heute. Das hieß, dass sie auch ein Drittel weniger Drehimpuls
abgab, wodurch sich der Erdtrabant auf seiner Bahn nicht so schnell wie sonst
von der Erde wegbewegen konnte. Selbst die Tagesdauer nahm geringfügig ab.
Steff stützte den Kopf in die Hand. Normalerweise wurde die
Wirkung der Anziehungskraft des Mondes von der Strömung der Konvexionsthermik beeinflusst.
Dadurch wurde die Rotation abgebremst oder beschleunigt. Der Zusammenhalt des
Weltalls.
‚Aber so immens?’ »Wie stark war denn die Veränderung des
Drifts in dieser Zeit?« fragte er laut.
Sam Wilckens hielt noch zwei weitere Blätter in der Hand.
»John hat während ihrer Schlafperiode die allgemeine Driftgeschwindigkeit berechnet.
Sie liegt ebenso um ein Beträchtliches über dem Normalwert. Das hängt aber mit
der sehr starken Magmaerhitzung im Erdinneren zusammen. Diesen Umstand beweisen
auch die sehr zahlreichen Eruptionen und Vulkanbildungen. Dadurch falteten sich
Ende Kreide viele Gebirge auf, und es herrschte eine gewaltige Regression.«
Sam hielt einen Augenblick inne, um zu überlegen, aber als
John Steffs ungeduldige Miene sah, trat er hinzu. »Ich meine, der Umstand, dass
der Ozean bei Erhaltung seiner Wassermassen eine kleinere Oberfläche bot, hatte
zur Folge, dass der Meeresspiegel tiefer wurde - bedingt durch die Bodenabgabe
an die sich auffaltenden Gebirgsmassive. Dadurch hatte sich auch die Oberfläche
des den Gezeiten unterliegenden Wassers, auf das die Gravitation des Mondes
einwirkt, verringert. Hierdurch wurde die Erdrotation erheblich weniger abgebremst.
Durch die daraus erfolgende um ein Drittel verringerte Impulsabgabe an den Mond
aber wurde die Erdanziehung stärker. Als unmittelbare Folge wurde nun dessen
Fluchtbewegung von der Erde aufgehalten, sodass vor allem die Nächte damals
unter einem intensiveren Einfluss des Trabanten standen.«
Er verstummte und trat zwei Schritte zurück, als wollte er
die Wirkung seiner Worte im Ganzen beobachten. Doch Steff achtete nicht darauf.
‚Wenn der Mond schon in einem direkten Bezug zur Geschwindigkeit
der Erdrotation steht, welche Bedeutung können Johns Worte über die
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