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Amarilis (German Edition)

Amarilis (German Edition)

Titel: Amarilis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Kempas
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sie erhielten ein Gefühl von
kribbelnder Wärme. Da dem Mensch dieser Vorgang aber nicht bekannt war,
verglich ihn der Computer mit einem aufgeladenen Strumpf, der einwenig
knistert, wenn man ihn anzieht. Deshalb wurde dieses Phänomen schlicht mit
Blaustrumpf im Bauch übersetzt, und wenn man darüber sprach, stellten sich die
Menschen kurz ein warmes Kribbeln in der Magengegend vor, wobei man etwas blau
anläuft.
      Die Unruhe, die Shan-Uccis Worten gefolgt war, nahm nicht ab. Denn
sie enthüllten erstmals schon bestehende Vermutungen, dass die Pflanze einst
weit unterhalb der Norddeutschen Tiefebene angesiedelt gewesen war. Aber zu
viel mehr ließ er sich nicht herab. Ihm genügte es, einen ersten Hinweis zu
lancieren. Zudem beherrschte er das Muskellesen perfekt und hatte bereits
gelernt, es auch bei den Menschen anzuwenden. Fast jeder Gedanke initiiert
nämlich einen Gesichtsreflex - bei den Santoganern allerdings auf recht
unauffällige Weise, dessen Mimik und gesamte Körperreaktion auf die wahren
Gedanken schließen ließen.
       Er wollte gerade aufstehen und sich verabschieden, als der
Bürgermeister auf ihn zustürzte. Mit seinen zwei Reihen goldbesetzter Knöpfe,
die sich vor dem in den Schultern ausgebeulten Westover spannten, und in dem
nur lässig über dem dicken Nacken befestigten Frackumhang sah er recht imposant
aus, wenn auch sein Äußeres nicht das einfache Gemüt, das sich dahinter zu
verstecken suchte, mit vollkommener Sorgfalt verbergen konnte.
       »Wenn das zutrifft, Kapitän, dann wären wir ihnen äußerst
gewogen und äh... dankbar, wenn Sie, auf alle Fälle...« er mußte innehalten,
denn sein sattes Gesicht schwoll rot an. Aber was er eigentlich zu sagen hatte,
war nicht herauszuhören. Er nahm erneut Anlauf, und sein Blutdruck ließ ihn die
Worte eher herausschießen, so dass sein Verstand selbst Mühe bekam, den eigenen
Ausführungen zu folgen und ihnen noch einen Sinn abzuverlangen. »Es wäre doch
bestimmt nicht zu viel verlangt, wenn Sie ein Schiff ihrer Flotte, Herr
Kapitän... Auf alle Fälle zu unserer Verfügung... Ich will damit nicht sagen, dass
wir es benutzen würden, nein. Nur so als allerletzte Sicherheitsmaßnahme, Herr
Kapitän... Also nur für alle Fälle.«
       Shan-Ucci verzog weiterhin keine Miene. Feuerscheinscharf
glitten seine in tiefen Höhlen liegenden Augen über die Reihe der Senatoren,
Sekretäre und Sonderbeauftragten. Sie bildeten ein Knäuel wild durch- und miteinander
gestikulierender Kaninchen, obwohl sein Verstand es ihm verunmöglichte, einen
derartigen Vergleich anzustellen. Doch die menschliche Hektik, die seinen
Offenbarungen gefolgt war, hatte ihn überrascht. Er stand auf.
       »Man will ja schließlich nicht schlafende Löwen wecken«, ließ
sich noch einmal der Bürgermeister, sichtlich bemüht, mit fester Stimme zu
sprechen, vernehmen, bevor er sich  ebenfalls erhob und zwischen den Akten nach
seiner Brille suchte. Seine Bewegungen waren dabei jedoch von einer fahrigen
Trotzigkeit, als sei er sich selbst nicht sicher, dass er überhaupt eine besaß.
       Der Senator für Raumfahrt und exterranische Sonderaufgaben,
ein sich stets zurückhaltender und nie in vorderster Linie agierender Mann,
wendete sich nun dem Santoganer zu. »Herr Shan-Ucci, können wir in diesem Punkt
mit ihrem vollsten Stillschweigen rechnen und das Versprechen von ihnen bekommen,
dass Sie von allen Wissenschaftlern, die Sie morgen darüber informieren, ein
unterzeichnetes Geheimhaltungsgebot verlangen werden?« Seine fliehende Stirn
rötete sich. Der Kapitän sah ihn kurz an und nickte. Dann ging er hinaus. Sein
Rollbecken ermöglichte ihm, jeweils drei seiner sechs Beine auf dem Boden zu
haben. Die restlichen wurden unter der Hüfte eingezogen und in einer Drehung
wieder nach vorn geholt. Dort streckten sie sich, und die kreisförmige
Radbewegung begann erneut. Der Vorteil dieser Gangart bestand darin, dass die
Santoganer vollkommen ohne Gelenke auskamen, die bei den Menschen im Laufe der
Jahre erhebliche Verschleißerscheinungen aufwiesen.
       Zufrieden blickte der Senator über die Tische, die mit
zahllosen Unterlagen bedeckt waren. Dann trat er auf den Bürgermeister zu.
»Darf ich Sie einmal kurz beiseite nehmen, Herr Posikol? Ich möchte mich in
einer vertraulichen Angelegenheit an Sie wenden.« Er schaute seinem Gegenüber
direkt in die blassen Augen und schien sie dadurch zu einem Zwinkern zu veranlassen.
»Wäre es uns«, und er flüsterte beinahe in

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