Amarilis (German Edition)
auf eine reichhaltige Ansammlung eben dieser Körbe und Kästen zeigte.
Sie schwebten vor ihm, als ob sie Flügel hätten oder sonst
wie gerade von oben fielen. Steff war kaum zu überreden, weiter zu gehen. Doch
überall, wo er stand, hatte er festen Boden unter den Füßen. Trotzdem schlich
er mehr, als dass er ging, darauf zu.
Mata-Hele öffnete einen von ihnen. Darin fand Steff
zahlreiche der kleinen Fläschchen, die die Santoganer benutzten, um sich zu
erfrischen. Sie beinhalteten eine Sprayflüssigkeit, die sie in ihren Küchenmensen
einnahmen.
Mit noch einigen anderen Helfern schleppten sie die Kästen in
die Gleiter, wobei Mata-Hele ihn wie auf dem Hinweg bei der Hand nahm. Inzwischen
waren auch menschliche Nahrungsmittel im Gleiter verstaut worden, und Steff
kümmerte sich speziell noch um einige die menschlichen Belange betreffenden
Angelegenheiten. Zu guter Letzt war sogar ein richtiges Klosettbecken in der
Laderampe des Luftschiffes verstaut.
Als sie wieder Platzt genommen hatten, fragte Mata-Hele ihn:
»Wir sind jetzt fertig. Wenn Sie noch einen Wunsch haben, sagen Sie es ruhig.
Vielleicht wollen Sie irgendwo hingeflogen werden, wo es besonders schön ist?
Oder schauen Sie sich doch mal die Wälder an?«
Steff überlegte. Seine Aufmerksamkeit hatte etwas ganz anderes
angezogen. Etwas, das ihm schon beim Anflug aufgefallen war und seine Neugierde
ausgelöst hatte.
»Können wir nicht einmal bei den roten Feldern vorbeifliegen?«
fragte er seinen Piloten unbekümmert. Er hatte aber nicht mit dessen Reaktion gerechnet.
Mata-Hele wurde plötzlich ganz steif und schien ihn überhört zu haben. Erst auf
Steffs wiederholte Bitte hin wandte er sich ihm zu und konnte sich auch dann
nur mit Mühe zu einer Antwort überwinden.
»Zu der Hochebene?« Selbst im Translator krächtste seine
Stimme.
Auf Steffs Nicken hin entschloss er sich zu einigen
erklärenden Worten: »Dieses Gebiet besteht aus rotglühenden Silikaten, deren
Plasma mitunter kranken Santoganern die Schmerzen lindert. Es ist aber auch
schon vorgekommen, dass einem von ihnen plötzlich wieder die Gittergeraden aufgefüllt
wurden, und er gesund in die Stadt zurückkehren konnte. Aber so was kommt
selten vor. Es ist ein schrecklicher Ort. Lauter Kranke, ohne Arme, ohne Beine
... Ich weiß nicht, wollen Sie da wirklich hin?«
»Warum denn nicht? Was ist daran so verwerflich?«
»Naja.« Mata-Hele schüttelte angewidert den Kopf. »Überall
Kranke, Siechende. Mit ätzenden Beulen, Schwären unter den Achseln und an Krücken
gehend. Ich meine, so was ist doch unangenehm.« Mehr war aus ihm nicht
herauszubekommen.
Steff wunderte sich. ‚Was war daran so peinlich? Auch die
Menschen hatten genug mit Krankheiten zu kämpfen. Aber wenn diese nicht gerade
ansteckend waren, brauchte man sich doch nicht vor ihnen fürchten.’ Einwenig
betroffen über das Verhalten der Santoganer gegenüber ihren Kranken schaute er
vor sich hin.
Dann fiel ihm ein, was Mata-Hele zu ihrer Genesung gesagt
hatte. ‚Sie konnten also bisweilen dort ihre Gitter auffüllen? Vielleicht waren
die Krankheiten ja erst durch die Stagnation der Gittergeraden entstanden?’ Er
rieb sich mit dem Zeigefinger die Stirn. ‚Wenn ihnen ihre eigene Unzulänglichkeit
peinlich ist, dann bestimmt, weil sie ihr unausweichlich ausgeliefert sind.
Ihnen ist die Ohnmächtigkeit unangenehm, nicht schon die Krankheit selbst!’
»Mata-Hele, wenn Sie mir dennoch meine Bitte erfüllen würden,
wäre ich Ihnen sehr dankbar.« Er hatte nicht vor, sich von der Zwiespältigkeit
der santoganischen Gefühlswelt zu sehr beeinflussen zu lassen.
»Es kann auch manchmal recht gefährlich dort werden«, gab
Mata-Hele nicht auf. »Sie feiern dort rituelle Sommersonnenwendfeste und andere
Kulte.
Dabei verbrennen sie Plasma und machen damit ein riesiges Feuer.
Und jedesmal, aber fragen Sie mich nicht warum, jedesmal scheint es danach
wirklich zu regnen und zu donnern. Ein wahres Ungewitter bricht darauf über uns
herein.«
Er schaute Steff von der Seite an, aber mit den letzten
Worten hatte er das genaue Gegenteil erreicht. Dieser war nun erst recht
interessiert und wollte geradezu begierig mehr davon hören.
Also erzählte ihm Mata-Hele, während er lustlos, aber
nachgebend den Gleiter zu der roten Hochebene lenkte, vom Kult der Sonne und
der Bedeutung des Regens. Die Sonne galt als Erzeuger und Garant des Lebens
Weitere Kostenlose Bücher