Amarilis (German Edition)
Zeichen ihres wissenschaftlichen Gebietes
galt. Es waren nie mehr als 15 Santoganer auf ihnen zu sehen, die für ihn alle
aufgrund der stumpferen Epidermis, den kleinen Rissen und Falten der Haut und
ihres großen Wissenstandes hochbetagte Gittertodkenner sein mussten.
In diesem Augenblick wandte sich Mata-Hele an ihn und bat
ihn, die einzelnen Vorgehensweisen und wenn möglich, auch schon einige
Zwischenergebnisse vorzustellen. So erhob er sich wieder und berichtete von
seiner Vermutung, dass die Positronen immer in dunklen, kaum dem Sonnenlicht ausgesetzten,
aber doch außerordentlich heißen Gebieten, die zumal in Wassernähe, in der
Regel an Land-Meer-Übergangsstellen zu finden waren und sich in die dort durch
den Aufprall größerer Landmassen entstehenden unterirdischen Vertiefungen und
Aushöhlungen, denen die Pflanze folgte, verlagert hatten. Er betonte ihre
Verbindung mit dem Meteoriten, der 1,5 Millionen Jahre zuvor auf die Erde
getroffen und für ihr Vorhandensein verantwortlich war. Auch die Diskrepanz der
Aufprallstelle in Mexiko und des Erscheinungsortes der Pflanze in Europa konnte
er erklären: Sie hatte sich mit wie so vielen anderen Brocken von dem durch die
Reibungshitze der Atmosphäre poröser werdenden Felsbrocken gelöst und war
bereits vorher zu Boden gefallen. Zum Schluss erwähnte er, dass die aus dieses
Gestein emittierten Positronen zudem in einem unbekannten Zusammenhang mit dem
Überleben und der Weiterentwicklung damaliger Dinosaurier standen. Doch
diesbezüglich konnten nur konkrete Forschungen auf der Erde endgültige Klarheit
verschaffen.
»Sie haben bislang vorwiegend die Analyse der Atmosphäre
vollzogen. In unserer Verantwortung liegt es nun, die Erdoberfläche selbst zu
erkunden. Ich hoffe, dass beide Schritte schließlich dazu führen, den Fundort
der Pflanze zu entdecken. In diesem Sinne bitte ich Sie, die Unabhängigkeit
unserer Arbeit weiterhin zu gewähren.«
Beifälliges Gemurmel ertönte von allen Seiten. Auch Shan-Ucci
nickte mehrmals mit dem Kopf und stand dann auf. »Wir danken Ihnen für diese
Ausführungen, Herr Doktor Maiger.« Er blätterte in den durchsichtigen
Plastikfolien seiner Unterlagen. »Gestatten Sie mir jedoch noch eine Frage:
Soeben haben wir eine Information von einem gerade einlaufenden Schiff erhalten,
die wir nicht verstehen. In den Zeitungen Ihrer Städte ist nämlich kurz nach
unserem eigenen Abflug zu lesen gewesen, dass die Fundstelle der Positronen
bereits in Schottland entdeckt worden ist. Wie erklären Sie sich das?«
Steff war bemüht, nicht aufzulachen. »Wissen Sie zufällig,
wer das gesagt hat?«
Shan-Ucci schüttelte den Kopf. »Eine Information der
Raumfahrtbehörde Berlins. Sie sind sich jedoch nicht 100%-ig sicher, schreiben
sie.«
»So, nicht 100%-ig?« Steff wandte sich dem gesamten Rat zu.
»Das erklärt alles. Damit können sie ihre Lüge immer rechtzeitig zurückziehen.
Denn es ist eine Lüge. Schließlich muss ich es am besten wissen. Glauben Sie
mir, wenn die Positronen wirklich gefunden werden, dann nur von Santoga aus.«
Er wandte sich wieder Shan-Ucci zu. »Und dann werden Sie es
als erster erfahren.«
Ein Santoganer mit grüner Toga um den Leib, die an ledernen
Striemen zusammengehalten wurde, erhob sich. »Aber warum ist denn diese Lüge verbreitet
worden?«
Steff sah ihn an und antwortete ohne Umschweife. »Weil es
einigen Leuten anscheinend von Interesse ist, das dortige Gebiet, das als
besonders karg und unfruchtbar gilt, zu Höchstpreisen zu verkaufen oder sonst
wie damit zu spekulieren. Es bedeutet aber auch eine zusätzliche Warnung an
Sie, sich in Geschäfte mit dem Senat nur mit der gebührenden Vorsicht einzulassen.
Ich weiß nicht, wer dahinter steckt, aber er wird diesen oder andere Tricks
nicht zum letzten Mal versuchen.«
Shan-Ucci sagte daraufhin nachdenklich: »Mit dem Senat sind
wir in dieser Hinsicht noch nicht in Beziehung getreten. Aber ein großer Wirtschaftskonzern,
hinter dem auch eine Kette von Ölraffinerien steht, setzt uns bereits unter
Druck und behauptet, dass diese Zeitungsente, wie er sich ausdrückte, der beste
Beweis sei, dass es die Positronen nicht mehr gäbe. Er will deswegen von uns
eine sofortige Entscheidung.« Und auf Steffs verständnislosen Blick hin
ergänzte er: »Er gehört dem Konzern an, dessen Professor angeblich die
Positronen künstlich herstellen kann.«
Steff überlegte einen Augenblick, doch dann ereiferte
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