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Amarilis (German Edition)

Amarilis (German Edition)

Titel: Amarilis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Kempas
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Gerade stemmte er mit einer Art Brecheisen
gegen das Schloss, so dass es sich schon bedrohlich bog. Als der Mann hinter
dem Zelteingang sich dessen gewahr wurde, wusste er um die Gefahr, in der er
sich nun selbst befand. Deshalb beschloss er, umgehend zu  handeln.
       Jetzt erst bemerkte Josa-Ferrnar die aufrechte Gestalt im
Zwielicht des Einganges. Die dunkle, schmutzige Kutte zeichnete sich scharf vom
letzten Licht der untergehenden Sonne ab. Bevor er sich jedoch von seiner Verwunderung
erholen und wieder vollends in die Realität zurückkehren konnte, nahm der andere
mit einer schnellen Bewegung die Kapuze vom Kopf.
       »Der Navigator!« rief er erstaunt, und es war seinen Worten
nicht herauszuhören, ob er erschrocken oder lediglich überrascht war. Doch noch
ehe sich die übrigen des plötzlichen Erscheinens des zweiten Sternenoffiziers
klar werden konnten, hatte Moren-El-Darte die Kutte vollends beiseite geschlagen
und zielte mit der kurzen Nadel seines Paralysators auf sie. Der schwere Säbel,
der ihm zur Seite hing, war das letzte, was sie von ihm wahrnahmen.
     
     
     
    »Freundschaft?« Mata-Hele wirkte überrascht. »Wenn sich zwei
gern haben.«
       Steff dachte nach. »Und was ist dann Liebe für Sie?«
       »Liebe«, echote sein Begleiter erneut, als ob er dieses Wort
zum ersten Mal hörte. Mit einer Hand hielt er das Radarruder fest. Sie flogen
wieder über die Wälder Santogas. Unter ihnen schlängelte sich ein kleiner Fluss
durch die Berge zu den nahen Ufern, als ob er den Ruf des Meeres hörte.
»Liebe?«
       Mata-Hele schüttelte den Kopf. »Liebe und auch Hass wie bei
Ihnen kennen wir nicht. Sie sind uns fremd genauso wie die Angst vor dem Tod.
Aber«, fügte er nicht ohne Zögern hinzu, »seitdem der Tod besiegbar scheint,
gibt es einige, die sich nun vor dieser Niederlage fürchten.« Er suchte
angestrengt nach Worten, brach ab und begann von neuem. »Sehen Sie, Herr
Maiger. In den letzten Jahren ist eine Menge passiert. Ich habe das Gefühl, als
ob sich unsere Kultur aufbläst. Einige von uns scheinen sich wirklich zu
hassen... Aber vielleicht sind sie dann auch zur Liebe fähig. Doch es ist noch
etwas anderes geschehen: Es gibt welche, zu denen wir auch die Verschwörerbande
zählen, die die Angst zu kennen scheinen. Je öfter einer von ihnen dem
Gittertod in die Augen geschaut hat, desto eher bangt er um sein Leben.«
       Er sah Steff traurig und einwenig ratlos an. »Ich weiß, dass
es Ihnen merkwürdig vorkommen muss, aber in unserer Kultur gab es so was
bislang nicht. Sehen Sie, wir sind ein Volk, das nicht mal die Lüge kennt, aber
wir wissen, dass zum Beispiel die Kranken, die Sie vorgestern gesehen haben,
von der Lüge agitiert werden. Bei uns hat man bislang einen Dienst nicht von
der Größe der Lüge abhängig gemacht, sondern vom Grad der Freundschaft. Wir
achten eigentlich zu sehr den anderen als ein Mitglied unserer Gemeinschaft,
als dass wir ihm schaden wollen oder ihn benutzen. Denn wir sind alle kleine
Pfeiler eines Daches, das einstürzt, wenn man eine seiner Säulen knickt.«
       Steff nickte. Langsam wurde ihm der gesellschaftliche Aufbau
der Santoganer bewusster. Sie achteten den anderen, um sich selbst zu achten.
Sie behandelten einander als gleichberechtigt. ‚Aber warum kannten sie dann
keine Liebe? Lag diesem menschlichen Gefühl etwa auch die Art ihrer Vermehrung
zugrunde?’ Er war versucht zu fragen, doch dann erinnerte er sich der
Zwiespältigkeit der Liebe, ihrer Eifersucht und ihrer aufopfernden
Selbstvergessenheit. ‚Sie hängt doch zu stark mit Hass und auch Selbstzerstörung
zusammen. Ein Umstand, der dem Kollektivgedanken: was du mir antust, das tu
auch dir an, zuwider lief.’
       »Sehen Sie«, ergriff Mata-Hele erneut das Wort, »wir haben
uns ja gehütet, in Ihre für uns fremde Kultur einzudringen. Wir wollen nicht zerstören,
sondern akzeptieren. Wir waren vorsichtig in der Annäherung, um Sie nicht zu
entsetzen, und wir haben auch verhindert, Ihnen eine Technik aufzudrängen,
deren Entwicklung Sie noch nicht nachvollziehen können. Aus ihrer innersten
Einstellung heraus nicht.«
       Zustimmung erheischend schaute er Steff in die Augen. Er versuchte,
tief in sie hineinzusehen und auf den Grund dessen verborgensten Gedanken zu
gelangen. Gleichzeitig erkannte er in dem Muskelspiel seines Gesichtes ein Verstehen,
noch bevor dieser zu nicken begonnen hatte.
       »Wir wissen, dass wir Sie brauchen«, begann Mata-Hele erneut.
»Wieso

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