Amarilis (German Edition)
sollten wir etwas zerstören, was uns behilflich sein kann?« Er zögerte
und fügte dann hinzu: »Ich meine damit, dass wir Sie nicht benutzt haben aus
egoistischen Motiven heraus, sondern dass es unserem innersten Selbst
entspricht, nirgends etwas zu bedrohen, da es in dem unermesslichen
Zusammenhang des Kosmos einmal auf uns zurückkommen könnte. Wir zerstören
nicht, weil wir alle fremden Welten als ein gemeinsames Ganzes betrachten, als
eine Einheit unter den Sternen.«
Steff stimmte mit ihm überein. Aber da war ein Punkt, der ihn
noch bedrückte. »Warum diskriminiert ihr dann unsere Frauen?« Und er erzählte
ihm von den Ereignissen, die sich auf der Erde abspielten. Von Frauen, Männern
und Kindern. Und von der Idee der Gleichberechtigung. Aber obzwar ihm Mata-Hele
eifrig zuhörte, schien er ihn nicht zu verstehen. ‚Zweigeschlechtlichkeit...’ -
»warum sprecht ihr dann verschiedene Sprachen?« wandte er immer wieder ein. Für
die Santoganer in ihrer Ehrlichkeit war das, was sie sahen, das, was sie dafür
hielten.
So musste ihm Steff vom Zwiespalt bürgerlichen Denkens und
falscher Moral erzählen, von Hinterlistigkeit, Korruption und Dünkelhaftigkeit.
Mata-Hele hatte Schwierigkeiten zu begreifen, doch allmählich begann er einen
Eindruck davon zu gewinnen, was sich auf der Erde Zivilisation nannte.
»Sie müssen entschuldigen«, sagte er leise und traurig, »aber
wir verstehen Sie, wie Sie sich geben. Wir können nicht wissen, dass Sie oft
nicht so sind, wie Sie verstanden werden wollen.« Und auf einen Seitenblick zu
Steff fügte er hinzu: »Aber ist es nicht normal, dass man sich missversteht, solange
man sich fremd ist? Ich werde dem Rat von dem berichten, was Sie mir erzählt
haben. Und Sie werden mir auf der Erde genau demonstrieren, was eine Frau ist.«
Steff war versucht zu Grinsen, schüttelte aber dann energisch
den Kopf. »Das geht nicht, Mata-Hele. Sie müssen sich schon jetzt entschließen.
Es gibt da noch etwas, was Ihnen unbekannt zu sein scheint: Menschenwürde. Das
Beste wird sicherlich sein, Sie kommen bereits mit einer Entscheidung zur Erde
zurück.«
»Aber das kann ich doch nicht allein bestimmen.«
»Dann überzeugen Sie den Rat bis zu unserer Abfahrt davon,
dass die Frauen gleichgestellt zu sein sind, egal, was für Interessen einzelner
auf der Erde oder hier bestehen. Öffnen Sie Ihre Gebäude, und lassen Sie sie
auch nach Santoga fliegen. Bisher haben Sie nur die Hälfte der menschlichen
Welt auf ihrer Seite. Wenn Sie sich wirklich mit uns verbünden wollen, dann
müssen sie auch die andere Hälfte dazu gewinnen.«
Mata-Hele nickte, war sich aber der Zweifel bewusst, die eine
Überzeugung der anderen Santoganer zu sichern hemmten. Er hoffte jedoch, heute
vor dem Rat eine Stimme zu erhalten. Denn er war dort ebenso vorgeladen wie
Steff Maiger. Die Ereignisse der letzten Tage hatten die hohen Herren merklich
sensibler gemacht. Sie begannen jetzt, den Intrigen auf der Erde und Santoga
mehr Beachtung zu schenken.
Erassno-Kun-Da war die Stadt, die Steff als erste
kennengelernt hatte. Im Haus der exsantoganischen Kommunikation hatten sich die
einheimischen Wissenschaftsdeligierten, die den Hohen Rat bildeten, versammelt.
Der Widerstand der Verschwörer musste gebrochen werden, bevor sie zu viel
Rückhalt in der Bevölkerung erhielten. Die entscheidende Phase um die Kultur
der Santoganer lief an. Steff war Zeuge und Bindeglied zugleich. Nicht zuletzt
durch Shan-Uccis Fürsprache.
Gemeinsam gingen sie durch die Mensa in den ersten Stock, an
den Bibliothekshallen vorbei zu einem großen Raum, der an die 500 Leute aufnehmen
konnte. Als Steff den Saal betrat, verstummten die Gespräche und die Blicke
aller hingen an ihm. Kaum einen von ihnen kannte er. Außer Shan-Ucci, Radan-El-Dor,
Moren-El-Darte und noch zwei, drei anderen, denen er im Laufe seines
Aufenthaltes vorgestellt worden war, war er noch keinem begegnet.
Als sich die Tür hinter ihm schloss, bemerkte Steff, dass er
sich auf einem breiten Balkon befand. In dem kreisartigen Saal waren überall
sich zur Mitte hin verjüngende Vorsprünge aus den Wänden gezogen. Auf jeder dieser
Emporen, die sich etwa fünf Meter über dem Boden befanden, hatte ein Zweig der
santoganischen Forschung Platz genommen. Vor ihren Enden, die sich an den
Spitzen beinahe berührten, war ein dreidimensionaler Raum freigehalten worden,
der die Projektion entsprechender Vorführungen
Weitere Kostenlose Bücher