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Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts

Titel: Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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schrecklich schwindlig, und die Sicht verschwamm mir. Ich war nicht sicher, ob ich den Transfer bewerkstelligen würde. Aus weiter Feme hörte ich Jasras Stimme; sie unterhielt sich mit jemandem, aber ich war nicht in der Lage, die einzelnen Worte zu verstehen.
    Ich konzentrierte die Reste meiner Aufmerksamkeit auf die Karte. Es war eine Sphinx, die auf einem blauen Felssims kauerte. Ich griff danach. Nichts. Mein Geist kam mir vor wie in Watte gepackt. Mein Bewußtsein reichte kaum noch für einen weiteren Versuch.
    Ich empfand eine gewisse Kälte und glaubte zu sehen, wie die Sphinx sich auf ihrem steinernen Regalbrett bewegte. Ich hatte das Gefühl, nach vorn in eine schwarze Welle zu fallen, die zu mir hochschwappte.
    Und das war alles.
    Ich brauchte lange, um wieder zu mir zu kommen. Mein Bewußtsein tröpfelte zurück, aber meine Glieder waren immer noch bleiern, und meine Sicht blieb vernebelt. Der Stachel der Dame hatte mir offenbar ein Nervengift eingeflößt. Ich versuchte, die Finger und Zehen zu krümmen, und war mir nicht sicher, ob ich erfolgreich wäre. Ich versuchte weiter, meine Bewegungen zu beschleunigen und tiefer durchzuatmen. Das gelang jedenfalls.
    Nach einer Weile hörte ich etwas wie ein Dröhnen. Kurz darauf dämpfte es sich etwas, und mir wurde klar, daß es mein eigenes Blut war, das mir in den Ohren rauschte. Kurze Zeit später spürte ich mein Herzklopfen, und meine Sicht klärte sich allmählich. Licht, Dunkelheit und Formlosigkeit lösten sich in Sand und Stein auf. Ich fröstelte an verschiedenen Stellen meines Körpers. Dann fing ich an zu zittern, und als das vorüber war, stellte ich fest, daß ich mich bewegen konnte. Aber ich fühlte mich sehr schwach, also ließ ich es sein. Jedenfalls fürs erste.
    Ich hörte Geräusche - ein Rascheln und Rumoren -, die mir von irgendwo über und vor mir ans Ohr drangen. Außerdem stieg mir ein sonderbarer Geruch in die Nase.
    »Aha, bist du wach?« Diese Worte kamen aus derselben Richtung wie das Rascheln und Rumoren.
    Ich kam zu dem Schluß, daß ich noch nicht ganz so weit war, um die Voraussetzungen für diesen Zustand zu erfüllen, also antwortete ich nicht. Ich wartete darauf, daß mehr Leben in meine Glieder flösse.
    »Ich wäre dir wirklich dankbar, wenn du mich wissen ließest, ob du mich hörst«, setzte die Stimme wieder ein. »Ich möchte es gern hinter mich bringen.«
    Meine Neugier überwog schließlich mein Urteilsvermögen, und ich hob den Kopf.
    »Da! Ich habe es gewußt!«
    Auf dem blaugrauen Sims über mir kauerte eine Sphinx, ebenfalls blau - ein Löwenkörper mit großen, eng angelegten, gefiederten Flügeln und ein geschlechtsloses Gesicht, das auf mich herabsah. Das Wesen leckte sich die Lippen und entblößte eine Reihe erschreckender Zähne.
    »Was möchtest du hinter dich bringen?« fragte ich, während ich mich langsam in eine sitzende Stellung hochquälte und mehrmals tief Luft holte.
    »Das Aufgeben eines Rätsels«, antwortete das Wesen. »Das, was ich am besten kann.«
    »Ich hebe mir das Vergnügen für später auf, wenn du mir eine Gutschrift gibst«, sagte ich und wartete, daß die Krämpfe in meinen Armen und Beinen aufhörten.
    »Tut mir leid. Ich muß darauf bestehen.«
    Ich rieb mir den perforierten Unterarm und musterte das Geschöpf. Die meisten Geschichten von Sphingen, die mir erinnerlich waren, handelten davon, wie sie Leute vernichteten, die keine Rätsel lösen konnten. Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich werde dein Spiel nicht mitspielen«, sagte ich.
    »In dem Fall verwirkst du deine Erfolgsaussichten von vornherein«, sagte es, und seine Schultermuskeln strafften sich.
    »Augenblick mal«, entgegnete ich und hob eine Hand hoch. »Gib mir eine Minute oder zwei zum Erholen, dann sehe ich die Dinge wahrscheinlich anders.«
    Es lehnte sich zurück und sagte: »Na gut. Dadurch wird die Sache offizieller. Nimm dir fünf Minuten Zeit. Sage mir Bescheid, wenn du bereit bist.«
    Ich erhob mich mühsam, schwang die Arme und streckte mich. Währenddessen ließ ich einen forschenden Blick über meine Umgebung wandern.
    Wir befanden uns in einer sandigen Erosionsrinne, hier und da mit orangefarbenen, grauen und blauen Felsen gesprenkelt. Die Steinmauer, deren Sims die Sphinx einnahm, ragte steil zu einer Höhe von vielleicht sieben Metern auf; eine zweite Mauer von derselben Höhe erhob sich etwa in gleicher Entfernung hinter mir. Das Schwemmland stieg rechts von mir steil an und verlief auf der linken Seite

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