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Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts

Titel: Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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herauszufinden, ob ich ihn kannte.
    »Ja?« sagte ich.
    »Nun? Ist es erledigt?« kam die Antwort.
    Verdammtes Pronomen. Es war eine Frau. Das falsche Geschlecht, aber eine Frage, die sich richtig anhörte. Eine Trefferquote von eins aus zwei ist trotzdem gar nicht so schlecht.
    Ich atmete schwer aus und sagte dann: »Ja.«
    »Was ist los?«
    »Ich bin verletzt«, krächzte ich.
    »Schlimm?«
    »Glaub schon. Aber... ich hab hier was. Du solltest kommen... und es dir ansehen.«
    »Was denn? Etwas von ihm?«
    »Ja. Kann nich reden. Mir wird schwindelig. Komm!«
    Ich legte den Hörer auf und lächelte. Ich hielt meine schauspielerische Leistung für gelungen. Ich hatte das Gefühl, daß sie mir auf den Leim gegangen war.
    Ich durchquerte das Zimmer und ging zu demselben Sessel, auf dem ich zuvor gesessen hatte, zog einen der kleinen Tische heran, auf dem ein großer Aschenbecher stand, setzte mich und griff nach meiner Pfeife. Zeit zum Ausruhen, um sich in Geduld zu üben und ein bißchen nachzudenken.
    Kurz darauf empfand ich ein vertrautes, beinahe elektrisches Kribbeln. Im selben Augenblick war ich auf den Beinen, schnappte mir den Aschenbecher, wobei mir Zigarettenstummel wie Geschosse um die Ohren flogen, und verfluchte wieder einmal meine Dummheit, während ich den Blick aufgeregt durch den Raum schweifen ließ.
    Dort! Vor dem roten Vorhang, neben dem Klavier, Form annehmend ...
    Ich wartete, bis sich die Umrisse insgesamt abzeichneten, dann schleuderte ich den Aschenbecher mit aller Kraft.
    Einen Augenblick später war sie da - groß, rothaarig, dunkeläugig - und hielt etwas in der Hand, das eine 38er Automatik hätte sein können.
    Der Aschenbecher traf sie am Bauch, und sie sackte mit einem Japsen nach vorn.
    Ich war bei ihr, bevor sie sich wieder aufrichten konnte.
    Ich entwand ihr die Waffe und warf sie quer durch den Raum. Dann packte ich sie an beiden Handgelenken, drehte sie unsanft herum und drückte sie in den nächststehenden Sessel. In der linken Hand hielt sie noch immer einen Trumpf. Ich schnippte ihn weg. Es war eine Wiedergabe dieser Wohnung, und sie war im selben Stil ausgeführt wie der Baum und die Karten in meiner Tasche.
    »Wer bist du?« fuhr ich sie an.
    »Jasra«, fauchte sie zurück. »Toter!«
    Sie öffnete den Mund weit, und ihr Kopf fiel nach vorn. Ich spürte die feuchte Berührung ihrer Lippen auf dem Rücken meines linken Unterarms, mit dem ich immer noch ihr rechtes Handgelenk gegen die Armlehne des Sessels drückte. In der nächsten Sekunde spürte ich an der Stelle einen unbeschreiblichen Schmerz. Es war kein Biß, sondern ich hatte vielmehr das Gefühl, als ob mir ein feuriger Nagel ins Fleisch getrieben worden wäre.
    Ich ließ ihr Handgelenk los und entriß ihr meinen Arm. Die Bewegung war seltsam träge, geschwächt. Eine kribbelnde Kälte verbreitete sich bis in die Hand und den ganzen Arm entlang. Die Hand sackte mir schlaff an die Seite und schien nicht mehr vorhanden zu sein. Sie befreite sich mühelos aus meinem Griff, lächelte, legte mir die Fingerspitzen leicht auf die Brust und schob mich weg.
    Ich fiel nach hinten. Ich war lächerlich schwach und hatte keine Beherrschung über meine Bewegungen. Ich empfand keinen Schmerz, als ich zu Boden ging, und es war eine echte Anstrengung für mich, den Kopf zu wenden und zuzusehen, wie sie sich erhob.
    »Genieß es!« sagte sie. »Wenn du aufwachst, werden die Überreste deiner flüchtigen Existenz schmerzerfüllt sein.«
    Sie verschwand aus meinem Sichtfeld, und gleich darauf hörte ich, wie sie den Telefonhörer aufnahm.
    Ich war überzeugt davon, daß sie S anrufen würde, und ich glaubte das, was sie soeben gesagt hatte. Zumindest würde ich den geheimnisvollen Künstler kennenlernen...
    Künstler! Ich schnippte mit den Fingern der rechten Hand; Sie gehorchten mir noch, wenn auch träge. Ich strengte jede Faser meines Willens und meiner Anatomie, die mir noch gehorchten, in dem Versuch an, die Hand zur Brust zu führen. Die daraus folgende Bewegung war ein Zeitlupenzappeln. Wenigstens war ich auf die linke Seite gefallen, und mein Rücken verbarg diese schwache Aktivität vor der Frau, die mich hereingelegt hatte.
    Meine Hand zitterte und wurde noch langsamer, als sie sich der Brusttasche näherte. Mir kam es vor, als brauchte ich eine Ewigkeit, um die Ecken der Pappkarten zu ergreifen. Endlich löste sich eine der Karten, und es gelang mir, sie weit genug herauszuziehen, damit sie zu sehen war. Inzwischen war mir

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