Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts
diesem Augenblick wurde Frakir sichtbar, wie sie von meinem linken Handgelenk zu meiner Hand glitt und sich mit meinen Fingern verflocht. Die Augen der Sphinx schossen in diese Richtung. Ich hob den Stein auf die Höhe meiner rechten Schulter. Ein Ende von Frakir fiel lose herab und hing zappelnd an meiner ausgestreckten Hand. Sie leuchtete auf und glühte dann wie ein heißer Silberdraht.
»Ich glaube, das Spiel steht eins zu eins«, bemerkte ich. »Was meinst du?«
Die Sphinx leckte sich die Lippen.
»Ja«, sagte sie schließlich seufzend. »Vermutlich hast du recht.«
»Dann wünsche ich dir einen guten Tag«, sagte ich.
»Ja. Schade. Sei es, wie es sei. Guten Tag. Bevor du gehst - dürfte ich deinen Namen erfahren? Für meinen Bericht?«
»Warum nicht?« sagte ich. »Ich bin Merlin vom Chaos.«
»Ah«, sagte das Wesen. »Dann wird jemand kommen müssen, um dich zur Revanche herauszufordern.«
»Das ist möglich.«
»In diesem Fall ist ein Unentschieden am besten. Geh jetzt!«
Ich tat noch ein paar Schritte rückwärts, bevor ich mich umdrehte und den Hang zu meiner Rechten hinaufstieg. Ich blieb wachsam, bis ich diesen Ort vollends hinter mir gelassen hatte, doch ich wurde nicht verfolgt.
Ich lief los. Ich war durstig und hungrig, doch es war unwahrscheinlich, daß ich an diesem trostlosen steinigen Ort unter einem zitronenfarbenen Himmel ein Frühstück auftreiben würde. Frakir rollte sich zusammen und verblaßte. Ich atmete in tiefen Zügen, während ich mich der aufgehenden Sonne entgegen entfernte.
Wind in meinem Haar, Staub in meinen Augen... Ich näherte mich einer Gruppe von Felsbrocken, ging zwischen ihnen hindurch. Aus der Mitte ihrer Schatten betrachtet, nahm der Himmel über mir eine grünliche Färbung an. Als ich daraus hervortrat, gelangte ich auf eine sanftere Ebene, mit einem Glitzern in der Ferne und einigen Wolken, die zu meiner Linken aufstiegen.
Ich behielt eine gleichmäßige Geschwindigkeit meiner Schritte bei, erreichte eine kleine Erhebung, erklomm sie und stieg auf der anderen Seite, wo spärliches Gras wogte, wieder hinab. Ein Wäldchen von wuschelwipfeligen Bäumen in der Ferne... Ich ging darauf zu und schreckte ein kleines Geschöpf mit orangefarbenem Fell auf, das quer über meinen Weg hüpfte und nach links weghuschte. Kurz darauf flatterte ein dunkler Vogel auf, wobei er einen klagenden Ton ausstieß und in derselben Richtung verschwand. Ich lief weiter, und der Himmel verdunkelte sich immer mehr.
Grün der Himmel und dichter das Gras, ebenfalls grün... Heftige Windböen in unregelmäßigen Abständen... Näher die Bäume... Etwas wie ein Gesang ertönt im Geäst... Die Wolken ziehen weiter...
Die Anspannung weicht aus meinen Muskeln, und eine vertraute Geschmeidigkeit fließt hinein... Ich komme am ersten Baum vorbei, trete auf abgefallene Blätter... Ich schreite zwischen Baumstämmen mit haariger Rinde hindurch... Der Weg, den ich verfolge, ist festgestampft, wird zu einem Pfad mit seltsamen Fußspuren... Er führt steil nach unten, schlängelt sich in engen Kurven dahin, verbreitert sich, verengt sich wieder... Der Boden steigt zu beiden Seiten an... Die Bäume geben tiefe Bratschentöne von sich... Himmelsfetzen zwischen den Bäumen haben eine Morinci-Türkisfärbung... Wolkenstreifen fließen wie silberne Ströme dahin... Kleine Bündel blauer Blumen erscheinen an den Mauern, die den Pfad säumen... Die Mauern ragen immer höher auf, ziehen an meinem Kopf vorbei... Der Weg wird steinig ... Ich laufe weiter...
Mein Pfad wird breiter, immer breiter, steigt beständig bergan... Noch bevor ich es sehe oder höre, rieche ich das Wetter... Ich muß jetzt vorsichtig sein, wegen der Steine... Hier ein bißchen langsamer... Ich wende mich um und sehe den Fluß, steile, felsige Böschungen zu beiden Seiten, davor ein Uferstreifen von einem oder zwei Metern Breite...
Noch langsamer, neben dem gurgelnden, funkelnden Wasserlauf... Seinem Zickzackkurs folgend ... Biegungen, Kurven, hoch aufragende Bäume, freigelegte Wurzeln in der Wand zu meiner Rechten, graue und gelbe Steilhänge entlang des bröseligen Untergrunds ...
Meine Spalte wird breiter, die Wände werden niedriger ... Mehr Sand und weniger Steine unter meinen Füßen... Flacher, flacher... Kopfhoch, schulterhoch... Eine weitere Wegbiegung, Gefälle, hüfthoch... Grünbeblätterte Bäume rings um mich herum, blauer Himmel über mir, rechts ein festgestampfter Pfad... Ich steige den Hang hinauf, folge
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