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Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts

Titel: Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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erzählt hatte - und was mir die herumliegenden Spielsachen im Innenhof ebenfalls verrieten. Ich überlegte, wie es wohl sein mochte, an einem solchen Ort aufzuwachsen. Ich nahm an, daß ich es auch gekonnt hätte. Das Haus sah gepflegt aus, beinahe heiter. Ich stellte mir vor, daß die Menschen, die dort wohnten, glücklich waren.
    Ich fragte mich, wo er wohl sein mochte - sofern er noch unter den Lebenden weilte. Niemand konnte ihn über seinen Trumpf erreichen, doch das mußte nicht unbedingt etwas beweisen. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, wodurch eine Trumpf-Übermittlung blockiert werden kann. Tatsächlich wurde sogar behauptet, daß eine dieser Voraussetzungen in diesem Fall zuträfe, obwohl ich nicht daran denken wollte.
    Eines der Gerüchte besagte, daß mein Vater aufgrund eines Fluches, den meine Mutter über ihn verhängt hatte, in den Burgen des Chaos dem Wahnsinn anheimgefallen sei und daß er jetzt ziellos durch den Schatten irrte. Sie weigerte sich, zu dieser Geschichte auch nur einen Kommentar abzugeben. Einem anderen Gerücht zufolge war er in das von ihm selbst geschaffene Universum eingetreten und niemals zurückgekehrt, wodurch er allem Anschein nach aus der Reichweite der Trümpfe geraten war. Eine andere Version besagte, daß er schlicht und einfach nach seinem Aufbruch von den Burgen an irgendeinem Punkt umgekommen war - und viele meiner Verwandten dort versicherten mir, daß sie gesehen hatten, wie er sich nach einem kurzen Aufenthalt auf den Weg gemacht hatte. Wenn also das Gerücht über seinen Tod stimmte, so herrschte in den Burgen des Chaos Stillschweigen darüber. Es gab andere, die behaupteten, ihn später an allen möglichen, weit voneinander entfernten Orten gesehen zu haben, und alle diese Begegnungen waren ausnahmslos von einem abartigen Verhalten seinerseits geprägt gewesen. Einer erzählte, daß er in Gesellschaft einer stummen Tänzerin reiste - einer zierlichen, hübschen Dame, mit der er sich per Zeichensprache verständigte - und daß er selbst auch nicht mehr viel redete. Ein anderer berichtete, er habe ihn als tobenden Trunkenbold in einer zwielichtigen Spelunke erlebt, aus der er nach und nach alle anderen Gäste vertrieb, um das Spiel der Musikanten ohne Ablenkung zu genießen. Für den Wahrheitsgehalt irgendeines dieser Berichte hätte ich die Hand nicht ins Feuer gelegt. Es hatte gründlicher Recherchen meinerseits bedurft, um überhaupt diese Handvoll von Gerüchten in Erfahrung zu bringen. Selbst mit dem Logrus-Ruf konnte ich ihn nicht ausfindig machen, obwohl ich es mehrmals versuchte. Aber natürlich, wenn er sich in zu weiter Ferne aufhielt, dann war die Kraft meiner Konzentration vielleicht einfach nicht ausreichend.
    Mit anderen Worten, ich wußte nicht, wo, zum Teufel, mein Vater, Corwin von Amber, sich aufhielt, und auch sonst schien es niemand zu wissen. Ich bedauerte das zutiefst, denn meine einzige längere Begegnung mit ihm hatte anläßlich der Anhörung seiner langatmigen Geschichte außerhalb der Burgen des Chaos am Tag der Mustersturz-Schlacht stattgefunden. Das hatte mein Leben verändert. Es hatte meinen Entschluß herbeigeführt, den Hof zu verlassen, mit der festen Absicht, in der Schatten-Welt, wo er so lange gewohnt hatte, Erfahrung und Wissen zu sammeln. Ich hatte das Gefühl, daß ich sie verstehen mußte, wenn ich ihn besser verstehen wollte. Ich glaubte, daß ich jetzt einiges davon erreicht hatte, und mehr. Doch er stand nicht mehr zur Verfügung, um unsere Unterhaltung fortzusetzen.
    Ich glaubte, daß ich allmählich so weit sei, einen weiteren Versuch mit anderen Mitteln zu unternehmen, um ihn ausfindig zu machen - jetzt, da das Geistrad-Projekt beinahe startbereit war -, als das neueste Scheißegeschoß die Rotationsblätter traf. Im Anschluß an meine Reise quer durchs Land, die planmäßig einen oder zwei Monate später bei Bill hätte enden sollen, wollte ich zu meiner persönlichen Anomalie eines Ortes aufbrechen und mit der Arbeit beginnen.
    Doch jetzt... hatten sich andere Elemente eingeschlichen. Die anstehenden Angelegenheiten mußten erledigt werden, bevor ich meine Suche fortsetzen konnte.
    Ich fuhr langsam an dem Haus vorbei. Durch die geöffneten Fenster drang Stereomusik heraus. Vermutlich war es besser, nicht genau zu wissen, wie es im Innern aussah. Manchmal ist es vorzuziehen, daß die Dinge ein wenig geheimnisvoll bleiben.
    An diesem Abend saß ich mit Bill auf der Veranda und suchte nach etwas weiterem, das er

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