Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts
Wunsch.«
»Warum nicht?« räumte Random ein. »Du hast doch noch die andere Patrone, Merlin, nicht wahr?«
»Ja«, sagte ich, während ich in meiner Tasche wühlte und zwei Hülsen zum Vorschein brachte. Ich reichte sie Random. »Die eine davon funktioniert bestimmt nicht«, sagte ich. »Sie ist nur zufällig zwischen die anderen geraten.«
»Schon gut.«
Random nahm beide entgegen, legte die eine ein. Dann reichte er Martin die Waffe und erklärte ihm deren Handhabung. In der Ferne hörte ich die Laute eines Alarms.
»Wir werden gleich die gesamte Palastwache auf dem Hals haben«, stellte ich fest.
»Gut«, antwortete Random, während Martin anlegte. »Ein klein wenig wirklichkeitsnahe Ausbildung dann und wann schadet nie.«
Das Gewehr krachte, und die Rüstung schepperte ein zweites Mal. Martin machte ein verwirrtes Gesicht und reichte die Waffe an Random zurück. Random betrachtete die Hülse in seiner Hand und sagte: »Zum Teufel!« Dann legte er die letzte Patrone ein und schoß, ohne zu zielen.
Das war der dritte Schuß, gefolgt von einem lautstarken Tumult, als die Wachen am oberen Treppenabsatz ankamen.
»Ich glaube, ich lebe einfach nicht richtig«, bemerkte Random.
Nachdem Random der Wache für ihre schnelle Reaktion auf eine Schießübung gedankt und ich eine geflüsterte Unterhaltung belauscht hatte, in der dem König Trunkenheit unterstellt wurde, kehrten wir in die Bibliothek zurück, und er stellte mir die anstehende Frage.
»Ich fand das dritte Ding in einer Tasche von Lukes Arbeitsanzug«, antwortete ich und erläuterte die Begleitumstände.
»Ich kann es mir nicht länger leisten, nicht über Luke Raynard Bescheid zu wissen«, sagte er schließlich. »Sag mir, wie du dir das soeben Geschehene erklärst.«
»Das abgebrannte Gebäude«, begann ich. »Oben war Melman, der mich opfern wollte. Unten waren die Räume der Firma Brutus. Brutus lagerte offensichtlich Munition dieser Art. Luke gab zu, Melman gekannt zu haben. Ich hatte keine Ahnung, daß auch zwischen Brutus und der Munition ein Zusammenhang bestand. Der Umstand, daß diese Firma im selben Gebäude untergebracht war, ist jedoch zuviel.«
»Wenn sie das Zeug in solchen Mengen heranschaffen, daß es in Lagerhäusern aufbewahrt werden muß, dann befinden wir uns in großen Schwierigkeiten«, sagte Random. »Ich möchte wissen, wem dieses Gebäude gehört hat - und wem die Firma gehört hat, sofern es zwei verschiedene Personen sind.«
»Das dürfte nicht allzuschwer herauszufinden sein.«
»Wem sollte ich diese Aufgabe übertragen?« überlegte er. Dann schippte er mit den Fingern und lächelte. »Flora ist im Begriff, eine bedeutende Mission für die Krone durchzuführen.«
»Ein Geistesblitz«, lobte ich.
Martin lächelte darüber, dann schüttelte er den Kopf. »Ich fürchte, ich begreife nicht, was los ist«, ließ er uns wissen, »und ich möchte es gern wissen.«
»Ich sage dir was«, wandte sich Random an mich. »Du klärst ihn auf, während ich Flora in ihren Auftrag einweise. Sie kann gleich nach der Beerdigung aufbrechen.«
»Ja«, sagte ich, während er sich entfernte, und ich erzählte meine Geschichte ein weiteres Mal, diesmal um eine Kurzfassung bemüht.
Martin hatte keine neueren Kenntnisse und keine aktuellen Informationen - nicht daß ich es von ihm anders erwartet hätte. Er hatte die vergangenen Jahre in einer eher ländlichen Umgebung verbracht, wie ich erfuhr. Ich bekam den Eindruck, daß er mehr für das Landleben als für das Stadtleben geschaffen war.
»Merlin«, sagte er, »du hättest mit dem ganzen Kram früher nach Amber zurückkehren sollen. Wir alle sind davon betroffen.«
Und was war mit den Burgen des Chaos? fragte ich mich im stillen. Hätte das Gewehr dort gezündet? Wie auch immer, Caine und Bleys waren die Ziele gewesen. Niemand hatte mich an die Burgen zurückgerufen, um mich über irgendwelche Vorfälle in Kenntnis zu setzen. Dennoch... vielleicht sollte ich an irgendeinem Punkt meine anderen Verwandten mit auf den Plan rufen.
»Aber bis vor einigen Tagen war alles noch viel einfacher«, erklärte ich Martin, »und als sich die Dinge dann immer schneller entwickelten, war ich in ihnen gefangen.«
»Aber alle diese Jahre... alle diese Anschläge auf dein Leben...«
Ich entgegnete: »Ich laufe nicht immer gleich nach Hause, wenn ich mir den Zeh angestoßen habe. Das tun andere auch nicht. Ich habe während der ganzen Zeit keinen Zusammenhang zwischen den einzelnen Vorkommnissen
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