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Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts

Titel: Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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irgendwann während der Andacht, um nach den Wachen zu sehen, die er entlang des Küstenstreifens aufgestellt hatte, da jemand zu bedenken gegeben hatte, daß ein möglicher Attentäter bei einer Gelegenheit wie dieser, da so viele von uns auf einem kleinen Fleck zusammen waren, eine hohe Trefferquote erzielen könnte. Folglich waren Julians Waldhüter, bewaffnet mit Kurzschwert, Dolch, Langbogen oder Lanze, an vielen strategischen Punkten ringsum verteilt - und hin und wieder hörten wir das Bellen eines seiner Höllenhunde, das gleich darauf von mehreren anderen beantwortet wurde, ein nervtötendes Klagen als Kontrapunkt zu den Wellen, dem Wind und den tiefsinnigen Gedanken zur Sterblichkeit. Wohin war sie verschwunden? fragte ich mich. Fiona? Hatte sie Angst vor einer Falle? Oder hatte es etwas mit gestern abend zu tun? Und Benedict... Er hatte sein Bedauern und Grüße übermittelt und unvorhergesehene Geschäfte angeführt, die seine rechtzeitige Rückkehr verhinderten. Llewella war einfach nicht aufgetaucht und mittels Trumpf nicht erreichbar. Flora stand schräg links vor mir, wohl wissend, daß dunkle Farben sie sehr gut kleideten. Vielleicht tue ich ihr unrecht. Ich weiß es nicht. Aber sie machte eher einen zappeligen als einen nachdenklichen Eindruck.
    Am Ende des Gottesdienstes schritten wir hintereinander hinaus, wobei vier Seeleute Caines Sarg trugen, und wir bildeten eine Prozession, die sich zu der Höhle und seinem Sarkophag begeben würde. Ein Teil von Julians Truppen kam heran, um uns als bewaffnete Eskorte zu begleiten.
    Während des Trauermarsches stieß Bill mich an und deutete mit dem Kopf nach oben, zum Kolvir. Ich blickte in die entsprechende Richtung und erspähte eine mit einem schwarzen Umhang und Kapuze angetane Gestalt, die auf einem Sims im Schatten eines Felsvorsprungs stand. Bill beugte sich nahe zu mir heran, damit ich ihn trotz des Klanges der Bläser und Saiteninstrumente, deren Spiel eingesetzt hatte, hören konnte.
    »Ist der da oben ein Teil der Feierlichkeit?« fragte er.
    »Nicht daß ich wüßte«, antwortete ich.
    Ich brach aus der Reihe aus und schritt nach vorn. In einer Minute oder so würden wir direkt unter der Gestalt Vorbeigehen.
    Ich holte Random ein und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Als er sich umsah, deutete ich nach oben. Er blieb stehen und sah blinzelnd hinauf.
    Seine rechte Hand hob sich zur Brust, wo er wie bei den meisten Anlässen den Juwel der Urteilskraft trug. Sofort frischte der Wind auf.
    »Halt!« rief Random. »Prozession anhalten! Jeder bleibt stehen, wo er ist!«
    Da bewegte sich die Gestalt ein wenig, und ihr Kopf wandte sich um, als ob sie Random ansähe. Am Himmel ballte sich eine Wolke über dem Kolvir zusammen, wie in einer Trickaufnahme, und wurde immer größer. Ein pulsierendes rotes Glühen stieg unter Randoms Hand auf.
    Plötzlich blickte die Gestalt nach oben, und eine Hand zuckte unter dem Umhang auf, um gleich darauf mit einer werfenden Bewegung herauszuschnellen. Ein winziger schwarzer Gegenstand hing in der Luft und fiel dann langsam nach unten.
    »Runter mit euch allen!« rief Gerard.
    Random rührte sich nicht, als sich die anderen flach zu Boden warfen. Er blieb aufrecht stehen und sah zu, wie Blitze aus der Wolke zuckten und über die Klippe huschten.
    Der darauffolgende Donner polterte beinahe gleichzeitig mit der Explosion, die hoch über unseren Köpfen dröhnte. Die Entfernung war zu groß gewesen. Die Bombe war losgegangen, bevor sie uns erreicht hatte -obwohl sie ihr Ziel wahrscheinlich getroffen hätte, wenn wir in derselben Gangart wie zuvor weitergeschritten wären; dann wäre sie unmittelbar in dem Augenblick auf uns gefallen, da wir unter dem Sims vorbeimarschiert wären. Als die dunklen Flecken vor meinen Augen zu tanzen aufhörten, sah ich wieder zur Klippe hinauf. Die dunkle Gestalt war verschwunden.
    »Hast du ihn erwischt?« fragte ich Random.
    Er zuckte mit den Schultern, während er die Hand senkte. Der Juwel hatte aufgehört zu pulsieren.
    »Alle aufstehen!« rief er. »Laßt uns mit der Bestattung fortfahren!«
    Und das taten wir. Es gab keine weiteren Zwischenfälle, und die Zeremonie wurde planmäßig abgehalten.
    Meine Gedanken - und wahrscheinlich die aller anderen ebenfalls - waren bereits mit Familienspielchen beschäftigt, während der Sarg in die Gruft gesenkt wurde. War der Angreifer vielleicht eines unserer nichtanwesenden Sippenmitglieder? Und wenn ja, welches? Von welchen Motiven mochte

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