Amber-Zyklus 08 - Zeichen des Chaos: der Titel
einer wie beiläufigen Bewegung am Gürtel ruhte, etwas links und ebenfalls in der Nähe seines Dolches.
Daraufhin lächelten sich Luke und Julian gleichzeitig an und behielten dieses Lächeln einige Sekunden zu lange bei. Luke war größer als Julian, und ich wußte, daß er schnell und stark war. Doch Julian hatte eine jahrhundertelange Erfahrung im Umgang mit Waffen. Ich fragte mich, in welcher Form ich eingreifen sollte, falls einer von beiden einen Ausfall gegen den anderen unternehmen sollte, denn mir war klar, daß ich versuchen würde, sie davon abzuhalten. Doch da ließen sie die Hände seitlich herabsinken, wie in einer plötzlichen Übereinkunft, und Julian sagte: »Darf ich euch etwas Wein anbieten?«
»Ich habe nichts dagegen«, antwortete Luke, und ich fragte mich, ob meine Anwesenheit sie von einem Kampf abgehalten hatte. Wahrscheinlich nicht. Ich hatte den Eindruck, Julian war es lediglich darum gegangen, seine Gefühle klar zum Ausdruck zu bringen, und Luke wollte ihm zeigen, daß er sich einen Dreck darum scherte. Ich weiß wirklich nicht, auf wen ich im Ernstfall gewettet hätte.
Julian stellte drei Becher auf den Tisch, füllte sie mit Bayles Bestem, bedeutete uns mit einer Handbewegung, uns zu bedienen, während er den Korken wieder in die Flaschenöffnung drückte. Dann hob er den verbliebenen Becher und nahm einen kräftigen Schluck, bevor wir überhaupt an unseren Gläsern schnuppern konnten. Das war die rasche Zusicherung, daß wir nicht vergiftet werden sollten, und die Aufforderung, nun zum Geschäftlichen zu kommen.
»Bei unserer Begegnung wurden wir jeweils von einem Gefolgsmann begleitet«, sagte er.
»Bewaffnet?« fragte ich.
Er nickte.
»Allerdings mehr zur Schau.«
»Wart ihr zu Pferd oder zu Fuß?« wollte Luke wissen.
»Zu Fuß«, antwortete er. »Wir verließen unsere jeweilige Linie zur selben Zeit und bewegten uns mit gleichschnellen Schritten vorwärts, bis wir uns in der Mitte trafen, einige hundert Schritt von der jeweiligen Seite entfernt.«
»Ich verstehe«, sagte Luke. »Keine Übergriffe?«
»Kein einziger. Wir redeten miteinander und trennten uns wieder.«
»Um welche Zeit war das?«
»Gegen Sonnenuntergang.«
»Wirkte er wie in Mann in einem normalen Geisteszustand?«
»Das würde ich sagen. Ich gehe davon aus, daß ein gewisses überhebliches Gehabe und ein paar Beleidigungen gegen Amber bei Dalt normal sind.«
»Verständlich«, sagte Luke. »Und er wollte mich oder meine Mutter - oder uns beide? Und für den Fall, daß er uns nicht bekäme, drohte er mit einem Angriff?«
»Ja.«
»Hat er irgendeine Andeutung verlauten lassen, warum er unsere Auslieferung möchte?«
»Nein, keine«, antwortete Julian.
Luke nippte an seinem Wein.
»Hat er sich darüber geäußert, ob er uns tot oder lebendig haben will?«
»Ja: Er will euch lebendig«, antwortete Julian.
»Welchen Eindruck hast du?«
»Wenn ich euch an ihn ausliefere, dann bin ich euch los«, sagte Julian. »Wenn ich ihm ins Auge spucke und gegen ihn kämpfe, dann bin ich ihn los. So oder so, ich habe nur Vorteile...«
Dann wanderte sein Blick zu dem Weinkelch, den Luke mit der linken Hand aufgenommen hatte, und für einen kurzen Moment weiteten sich seine Augen. Mir wurde klar, daß er erst in diesem Augenblick bemerkt hatte, das Luke Vialies Ring trug.
»Es sieht so aus, als ob ich Dalt auf jeden Fall töten werde«, schloß er.
»Ich meinte, ob du den Eindruck hast«, fuhr Luke unbeirrt fort, »daß er tatsächlich angreifen würde? Hast du eine Ahnung, woher er gekommen ist? Gibt es irgendeinen Hinweis darauf, wohin er sich wenden wird, wenn er von hier weggeht - falls er weggeht?«
Julian schwenkte den Wein in seinem Becher.
»Ich muß von der Annahme ausgehen, daß er meint, was er sagt, und tatsächlich einen Angriff plant. Als wir die Bewegung seiner Truppen zum erstenmal bemerkten, kam er in etwa aus der Richtung von Begma und Kashfa - wahrscheinlich aus Eregnor, da er sich dort häufig aufhält. Deine Vermutung, wohin er sich von hier aus begeben mag, ist so gut wie jede andere.«
Luke setzte schnell seinen Weinkelch an und trank einen Schluck, jedoch den Bruchteil einer Sekunde zu spät, um ein plötzliches Lächeln zu verbergen. Nein, wurde mir in diesem Augenblick bewußt, Lukes Vermutung war nicht so gut wie jede andere. Sie kam der Sache wahrscheinlich um einiges näher. Ich nahm ebenfalls einen schnellen Schluck, auch wenn ich nicht wußte, welchen Gesichtsausdruck ich damit
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