Amber-Zyklus 10 - Prinz des Chaos: der Titel
erzählst du mir das?«
»Damit du weißt, wie meine Einstellung dazu ist, und damit du den letzten Rest an Einfluß, den du vielleicht noch hast, dazu benutzt, ihn zu überreden, daß er sich ein anderes Hobby sucht.«
Er schüttelte den Kopf.
»Jurt hat sich schon vor langer Zeit meinem Einfluß entzogen«, sagte er. »Dara ist so ungefähr die einzige, auf die er noch hört - obwohl ich vermute, daß er Suhuy immer noch fürchtet. Du kannst in Kürze mit ihr über diese Angelegenheit sprechen.«
»Das ist das eine Thema, über das keiner von uns mit ihr sprechen kann - nämlich jeweils über den anderen.«
»Warum nicht?«
»So ist das nun mal. Sie versteht immer alles falsch.«
»Ich bin sicher, sie will nicht, daß ihre beiden Söhne einander umbringen.«
»Natürlich nicht. Aber ich weiß nicht, wie ich die Sache an sie herantragen soll.«
»Ich schlage vor, du bemühst dich um eine Möglichkeit. In der Zwischenzeit würde ich an deiner Stelle versuchen, auf keinen Fall mit Jurt allein zu sein, sollten sich eure Wege kreuzen. Und außerdem rate ich dir dringend, in Gegenwart von Zeugen unbedingt dafür zu sorgen, daß nicht du es bist, der den ersten Schlag führt.«
»Eine nützliche Empfehlung, Mandor«, sagte ich.
Danach saßen wir eine Zeitlang schweigend da. Schließlich sagte er: »Du wirst über meinen Vorschlag nachdenken.«
»Soweit ich ihn verstanden habe«, erwiderte ich.
Er runzelte die Stirn.
»Wenn du noch irgendwelche Fragen hast...«
»Nein. Ich werde darüber nachdenken.«
Er erhob sich. Ich stand ebenfalls auf. Mit einer Handbewegung räumte er den Tisch ab. Dann wandte er sich ab, und ich folgte ihm aus dem Gebäude und über einen Hof zu einem Pfad.
Nach einem Spaziergang gelangten wir in sein äußeres Arbeitszimmer, das gleichzeitig der Ankunfts-Raum war. Er drückte mir die Schulter, während wir auf den Ausgang zugingen.
»Wir sehen uns dann bei der Beerdigung«, bemerkte er.
»Ja«, sagte ich. »Danke für das Frühstück.«
»Übrigens, wieviel bedeutet dir diese Dame Coral?« fragte er.
»Na ja, ziemlich viel«, sagte ich. »Sie ist... recht nett. Warum?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Ich bin einfach nur neugierig. Ich habe mir Sorgen um sie gemacht, da ich ihr Mißgeschick miterlebt habe, und ich wollte einfach wissen, was du für sie übrig hast.«
»So viel, daß ich mir ebenfalls große Sorgen um sie mache«, sagte ich.
»Ich verstehe. Also, dann grüß sie von mir, falls du Gelegenheit haben solltest, mit ihr zu sprechen.«
»Danke, ich werd's ausrichten.«
»Wir setzen unsere Unterhaltung später fort.«
»Ja.«
Ich machte mich ohne Eile auf den Weg. Mir blieb immer noch reichlich viel Zeit, bevor ich auf Burg Sawall sein mußte.
Ich blieb stehen, als ich zu einem galgenförmigen Baum kam. Nach kurzem Überlegen bog ich nach links ab und folgte einem ansteigenden Weg, der zwischen dunklen Felsen hindurchführte. Als ich beinahe die höchste Stelle erreicht hatte, traf ich direkt auf einen moosbewachsenen Felsbrocken, der aus einer Sandbank in einen leichten Nieselregen aufragte. Ich rannte über das Feld, das sich vor mir erstreckte, bis ich zu dem Zauberkreis unter dem alten Baum gelangte. Ich trat in seine Mitte, dachte mir einen gereimten Vers mit meinem Namen aus und versank in den Boden. Als ich angehalten wurde und die Dunkelheit des Augenblicks vergangen war, fand ich mich neben einer feuchten Steinwand wieder, den Hang hinunterblickend auf eine Fläche mit Grabsteinen und Denkmälern. Der Himmel war dicht bewölkt, und es wehte ein kühler Wind. Er erweckte den Eindruck einer abendlichen Brise, aber ob die Morgen- oder die Abenddämmerung nahte, vermochte ich nicht zu sagen. Der Ort sah genauso aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte - gesprungene Grabmäler, von Efeu überwuchert, eingefallene Steinbegrenzungen, Wanderwege unter hohen dunklen Bäumen. Ich wandelte auf vertrauten Pfaden.
Während meiner Kindheit war dies eine Zeitlang mein liebster Spielplatz gewesen. Ich hatte mich hier beinahe täglich, viele Zyklen lang, mit einem kleinen Schatten-Mädchen namens Rhanda getroffen. Während ich mit den Füßen haufenweise herumliegende Knochen beiseite stieß und an feuchten Büschen vorbeistrich, gelangte ich schließlich zu dem beschädigten Grabmal, das wir zu unserem Spielhaus gemacht hatten. Ich schob die abgesackte Pforte zur Seite und trat ein.
Nichts hatte sich verändert, und ich merkte, daß ich schmunzelte. Die gesprungenen
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