Amber-Zyklus 10 - Prinz des Chaos: der Titel
sich jedoch nur kurz nach unten.
»Du lieber Himmel!« sagte ich.
»Habe ich recht gehabt? Isst ess etwass Wichtigess?« fragte Glait.
»Und ob es etwas Wichtiges ist«, erwiderte ich.
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Ü berall in der Kapelle waren Kerzen angebracht, manche davon so groß wie ich und beinahe mit dem gleichen Umfang. Einige waren silbern, einige waren grau; ein paar waren weiß, ein paar waren schwarz. Sie standen unterschiedlich hoch, in einer kunstvollen Anordnung, auf Regalen, Simsen, besonderen Stellen des Bodenmusters. Sie sorgten jedoch nicht für den Hauptteil der Beleuchtung. Die stärkste Lichtquelle war irgendwo oben, und im ersten Augenblick dachte ich an eine Öffnung zum Himmel. Als ich jedoch nach oben sah, um die Höhe des Gewölbes abzuschätzen, stellte ich fest, daß das Licht von einer großen blauen und weißen Kugel ausging, die hinter einem dunklen Metallgitter eingesperrt war.
Ich trat einen Schritt nach vom. Die Kerzenflamme, die mir am nächsten war, flackerte.
Ich sah mich einem Steinaltar gegenüber, der in einer Nische auf der anderen Seite des Ganges stand. Zu beiden Seiten davon brannten Kerzen, sowie kleinere oben drauf. Für eine Weile stand ich einfach nur da und betrachtete ihn.
»Ssieht auss wie du«, bemerkte Glait.
»Ich dachte, deine Augen könnten zweidimensionale Bilder nicht wahrnehmen.«
»Ich habe lange Zeit in einem Musseum gelebt. Warum wird dein Bild an diessem geheimen Ort verssteckt?«
Ich trat noch näher an den Altar heran und heftete den Blick eindringlich auf das Gemälde.
»Das bin nicht ich«, sagte ich. »Das ist mein Vater, Corwin von Amber.«
Vor dem Porträt stand eine silberne Rose in einer schmalen Vase. Ob es sich um eine echte Rose oder um ein künstliches Werk der Magie handelte, vermochte ich nicht zu sagen.
Und davor lag Grayswandir, einige Zentimeter weit aus der Scheide herausgezogen. Ich hatte das deutliche Gefühl, daß dies .etwas Echtes war und daß es sich bei der Version, die der Muster-Geist meines Vaters bei sich getragen hatte, nur um eine Nachahmung handelte.
Ich streckte die Hand aus, griff nach der Scheide, zog die Klinge heraus.
Ein Gefühl der Kraft durchflutete mich, als ich sie in der Hand hielt, damit ausholte und einen Hieb en garde durchführte, wobei ich gleichzeitig einen Satz nach vom machte. Der Speichenkranz erwachte zum Leben, wurde zum Mittelpunkt eines Geflechts der Kräfte. Ich senkte den Blick, da ich mit einemmal verlegen war.
»...Und das ist die Klinge meines Vaters«, sagte ich, während ich zum Altar zurückging, wo ich sie wieder in die Scheide schob. Widerwillig ließ ich sie dort zurück.
Als ich mich vom Altar zurückzog, fragte Glait: »Isst dass wichtig?«
»Sehr«, sagte ich, während ich wieder von dem Weg gepackt und zum Baumwipfel zurückgebracht wurde.
»Wass nun, Meisster Merlin?«
»Ich muß schnell weiter, weil ich mit meiner Mutter zum Essen verabredet bin.«
»In dem Fall ssetze mich am bessten hier ab.«
»Ich könnte dich zur Vase zurückbringen.«
»Nein. Ich habe mich schon lange nicht mehr in einem Baum aufgehalten. Ess wird mir Spaßß machen.«
Ich streckte den Arm aus. Sie wickelte sich davon ab und schlängelte sich zwischen den leuchtenden Ästen davon.
»Viel Glück, Merlin. Bessuch mich mal.«
Ich rutschte den Baum hinab, wobei ich mir nur einmal die Hose aufriß, und mit flinken Schritten eilte ich durch den Flur.
Zwei Abbiegungen später gelangte ich zu dem Weg, der in den großen Saal führte, und ich entschied, daß es besser wäre, wenn ich ihn einschlagen würde. Ich stieß neben dem gewaltigen Kamin - in dem hohe Flammen aufloderten - durch die Wand und wandte das Gesicht langsam dem großzügigen Gemach zu, wobei ich so auszusehen versuchte, als hätte ich bereits eine geraume Zeit wartend hier verbracht.
Anscheinend war niemand außer mir anwesend. Was mir, wenn ich es mir überlegte, ein wenig seltsam vorkam, da das Feuer so kräftig brannte. Ich zupfte meine Hemdbrust zurecht, wischte meine Kleidung ab und fuhr mir mit dem Kamm durch die Haare. Ich war gerade dabei, meine Fingernägel kritisch zu betrachten, als mir eine blitzartige Bewegung am oberen Absatz der großen Treppe zu meiner Linken bewußt wurde.
Sie war ein Schneesturm im Inneren eines drei Meter hohen Turms. Knisternde Blitze zuckten in seiner Mitte auf; Eisbrocken klirrten und schepperten auf den Stufen, das Geländer gefror dort, wo sie vorbeiging. Meine Mutter. Anscheinend bemerkte sie mich im
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