Amber-Zyklus 10 - Prinz des Chaos: der Titel
hinaus.
Er stand bereits draußen und blickte zu einem gewaltigen Porzellangesicht hinauf.
»Gut«, sagte er.
Ich kam ihm zögernd näher.
»Da ist noch mehr«, sagte er, immer noch ohne mich anzusehen.
»Ja?«
»Ich glaube, sie haben bereits alle Vorbereitungen getroffen.«
»Wer? Wie? Wozu?«
»Ma und der Logrus«, erklärte er. »Um dich auf den Thron zu setzen. Wer ist die Braut des Juwels?«
»Ich schätze, das dürfte Coral sein. Ich glaube, Dara hat irgendwann einmal diesen Ausdruck gebraucht. Warum?«
»Ich habe belauscht, wie sie während des letzten Zyklus einem ihrer Hendrake-Verwandten Anweisungen erteilte. Sie schickt eine Sondermannschaft aus, um diese Frau zu entführen und hierherzubringen. Ich habe den Eindruck, sie ist für die Rolle deiner Königin vorgesehen.«
»Das ist lächerlich«, erwiderte ich. »Sie ist mit meinem Freund Luke verheiratet. Sie ist Königin von Kashfa...«
Er zuckte mit den Schultern.
»Ich berichte nur, was ich gehört habe«, sagte er. »Es hatte etwas mit dem Gleichgewicht der Kräfte zu tim.«
In der Tat. An diese Möglichkeit hatte ich gar nicht gedacht, doch sie ergab durchaus einen Sinn. Mit Coral würden die Burgen ganz selbstverständlich in den Besitz des Juwels der Urteilskraft gelangen - oder des Auges der Schlange, als das er hier in der Gegend bekannt war -, und das Gleichgewicht würde zweifellos beeinflußt werden. Ein Verlust für Amber, ein Gewinn für die Burgen. Vielleicht genügte das, um das von mir gewünschte Ziel zu erreichen, nämlich jene Harmonie,
die eine Katastrophe möglicherweise unendlich lange hinausschieben würde.
Schade, daß ich das nicht geschehen lassen konnte. Das arme Mädchen war bereits zuviel herumgestoßen worden, nur weil sie zufällig zur falschen Zeit in Amber gewesen war und weil sie eine Zuneigung zu mir gefaßt hatte. Ich kann mich erinnern, daß ich mich einmal in einer abstrakten Erörterung zu der philosophischen Ansicht verstiegen hatte, daß es rechtens wäre, einen Unschuldigen für das Wohl vieler zu opfern. Das war damals am College und hatte etwas mit Prinzipien zu tun. Aber Coral war meine Freundin, meine Kusine und praktisch meine Geliebte - wenn auch unter einer Reihe von Umständen, die man kaum gelten ließe; eine rasche Überprüfung meiner Gefühle, um nicht schon wieder in die Patsche zu gelangen, zeigte mir, daß ich mich tatsächlich in sie verlieben könnte. Was alles zusammengenommen bedeutete, daß die Philosophie wieder einmal eine Runde in der realen Welt verloren hatte.
»Wie lange ist es her, daß sie diese Leute losgeschickt hat, Jurt?«
»Ich weiß nicht, wann sie aufgebrochen sind - oder ob sie überhaupt schon aufgebrochen sind«, antwortete er. »Und bei der Zeitverschiebung könnten sie übrigens auch schon weg und wieder zurück sein.«
»Stimmt«, sagte ich und fügte hinzu: »Scheiße!«
Er drehte sich zu mir um und musterte mich.
»Gehe ich recht in der Annahme, daß das aus mehreren Gründen wichtig ist?« sagte er.
»Es ist wichtig für sie, und sie ist wichtig für mich«, antwortete ich.
Sein Ausdruck veränderte sich, nun stand ihm Verwirrung ins Gesicht geschrieben.
»Wenn das so ist«, sagte er, »warum wartest du dann nicht einfach, bis man sie zu dir bringt? Wenn du den Thron schon besteigen mußt, wird dir das die Sache doch ein wenig versüßen. Wenn es nicht dazu kommt, dann hast du sie auf jeden Fall bei dir.«
»Gefühle sind nur schwer zu verbergen, selbst gegenüber Nichtzauberern«, erklärte ich. »Sie könnte als Geisel benutzt werden, um mein Verhalten zu beeinflussen.«
»Oh! Ich sage es nicht gern, aber das freut mich. Ich meine - es freut mich, daß dir an einem anderen Menschen etwas liegt.«
Ich senkte den Kopf. Ich hätte am liebsten die Hand ausgestreckt und ihn berührt, aber ich unterließ es.
Jurt gab ein leises Summen von sich, wie er es als Kind manchmal getan hatte, wenn er über etwas grübelte. Dann sagte er: »Wir müssen zu ihr gelangen, bevor die anderen dort ankommen, und sie an einen sicheren Ort bringen. Oder sie ihnen wegnehmen, falls sie sie bereits haben.«
»Wir?«
Er lächelte, ein seltenes Ereignis.
»Du weißt, zu was ich mich entwickelt habe. Mich kann kaum noch etwas erschüttern.«
»Das hoffe ich«, sagte ich. »Aber du weißt doch, was geschehen würde, wenn irgendein Zeuge des Vorfalls aussagen würde, es seien zwei Sawall-Brüder gewesen, die dahintersteckten? Sehr wahrscheinlich eine Vendetta mit den
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