Ambient 02 - Heidern
geblieben, dann hätte er es bei mir auch probiert.« Das war ihr dann doch zuviel. Sie drehte durch. »Du hältst dich wohl für das Topangebot der Stadt, oder was?«
»Jedenfalls bleibe ich nicht in einem Raum, wenn sich zwei Menschen abschlecken. Ich gehe jetzt heim.«
»Bitte, keiner hält dich auf.«
Also ging ich zum Schrank im Flur und holte meinen Mantel. Da kam Katherine und nahm auch ihren Mantel heraus. »Kann ich mitgehen?« stellte sie mehr fest, als daß sie fragte, weil klar war, daß ich nicht nein sage. »Wiederseh'n!« rief ich beim Gehen in die Runde.
»Sagt ›Auf Wiedersehen‹ zu den beiden vom anderen Ufer«, forderte Lori, was mich ziemlich aufbrachte. Fast wäre ich umgekehrt, um ihr eine zu scheuern, aber dann dachte ich, daß das alles nur schlimmer machen würde. Außerdem hat keiner darauf geantwortet. Nun, die Jungen haben gelacht, aber was Jungs tun, ist mir eh gleich. Die können anderen Mädchen weh tun, mir nicht.
Es war halb zehn. Ich mußte erst um zehn daheim sein, also war ich froh, daß ich Katherine nach Hause begleiten konnte. »Lori ist so dumm«, sagte ich. »Sie tratscht ewig über andere, dann macht sie den gleichen Quatsch. Ich hasse sie.« Katherine schwieg weiter. Es war klar, daß sie immer noch aufgewühlt war.
»Jetzt sag, was los ist«, forderte ich sie auf.
»Nichts weiter.«
»Hat der Yeti etwas Gemeines zu dir gesagt?«
»Du hast recht gehabt; er ist bloß ein Trottel.«
»Also, was hat er gesagt?«
»Nichts.«
Das stimmt natürlich nicht, aber ich werde es wohl nie erfahren, weil sie nicht damit herausrückt.
Wir gingen die Park Avenue entlang bis zu ihrem Haus. Ich blickte die 78. Straße hinunter und sah Suchscheinwerfer drüben auf Long Island. Ich fragte mich, was da heute nacht wohl los sei. Katherine fragte etwas, aber ich verstand sie nicht, weil die Sirenen so laut waren. »Kommst du noch mit nach oben?« wiederholte sie, und ich sagte okay. Sie sah ganz so aus, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. »Wenn dich etwas dermaßen durcheinander bringt, dann solltest du es mir schon erzählen.«
»Klar«, sagte sie, aber das war scheinheilig. Sie sah mich nicht an. Wir nahmen den Aufzug, der direkt vor ihrer Wohnungstür hält. Bevor sie noch die Schlüssel fand, öffnete ihr Vater bereits die Tür. Er ist groß, schlank, hat graues, buschiges Haar und sieht aus wie ein Pilz. Er blockierte mit seinem Arm die Tür und brüllte los, als sei ich nicht vorhanden. Blahblahblah. Hab ich dir nicht gesagt, daß du nur eine Stunde lang weggehen darfst? Kennst du die Uhr noch nicht? Was soll man mit jemandem wie dir machen?
»Du solltest mich schlagen«, antwortete ihm Katherine und rannte unter seinem Arm hindurch in die Wohnung. Er drehte sich um und warf die Tür ins Schloß. Ich wußte nicht so recht, was tun, Anne, und fuhr mit dem Aufzug wieder nach unten. Draußen schaute ich nach oben, konnte aber kein Licht erkennen, weil die Wohnung nach hinten hinaus liegt. Ich blieb noch lange dort stehen, bis der Portier mich ansprach und ich wegging. So schnell ich konnte, lief ich die Park Avenue hinauf bis zur 79. Straße und dann über die Fahrbahn. Es waren nur wenige Menschen unterwegs, von denen mir keiner Aufmerksamkeit schenkte. An der 81. Straße bog ein Penner um die Ecke. Ich weiß gar nicht, ob er mich gesehen hat; er redete mit sich selbst, aber ich rannte trotzdem die ganze Strecke bis zur nächsten Querstraße. Wegen all der Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr, die nach downtown fuhren, mußte ich an der 86. lange warten, bis ich wieder über die Straße konnte. Als sie endlich vorbei waren, rannte ich hinüber und zu unserem Haus und hinein. Der Typ vor unserem Haus lag immer noch im Rinnstein.
Mama saß im Wohnzimmer und starrte alte Rechnungen an. Da Pappi nicht in seinem Arbeitszimmer war, vermutete ich, daß er schon schlief. Es war noch nicht zehn, aber Mama konnte kaum mehr die Augen offenhalten. Vermutlich hatte sie irgendwelche Tabletten eingeworfen. »Du bist schon da, Liebes? Hättest du doch angerufen, dann wäre ich dir entgegen gekommen und mit dir zusammen heimgegangen.«
»Schon in Ordnung.«
»War's denn schön mit deinen kleinen Freunden, Schnuckel?«
»Es ging so.«
»Du mußt vor Hunger ja umkommen, Kleine. Komm mit in die Küche, damit wir etwas Fleisch auf deine Knochen bekommen.« Sie machte mir ein Käsesandwich und schenkte mir ein Glas Apfelsaft ein. Dann leistete sie mir Gesellschaft beim Essen. Ich war
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