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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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nichts.
    Der Cousin war in der Küche und quatschte in sein Handy. Er heißt Rodell und ist einer von diesen kleinen Typen, die Krafttraining machen und dann breiter als hoch sind. Rodell trug ein rotes Hemd und eine kurze Hose; in die Haare auf seinem Hinterkopf war ein ›X‹ geschert. Er sah zu, wie wir Esther halfen, die Taschen auf den Gang zu schleppen, telefonierte aber weiter mit wem auch immer. Esther ging noch mit Iz ins Schlafzimmer der Mutter, um sich zu verabschieden, während Jude und ich an der Wohnzimmertür warteten. Rodell beobachtete uns, flüsterte in sein Handy und lachte. Esthers Mutter lag mit deren zwei jüngeren Geschwistern im Bett und sah fern. »Gehorche deiner Tante!« forderte Esthers Mutter ohne aufzublicken. Esther sagte: »Ja, Mutter«, und das wars dann. Wir gingen.
    Eine Tasche trug Jude, eine Iz. Ich bot an, den Rucksack zu übernehmen, aber Esther meinte, es ginge schon. Wir latschten ostwärts, immer weiter nach Harlem hinein.
    »Wie lang will der dir den Platz wegnehmen?« Jude.
    »Weiß nich.« Esther.
    »Was sagtn deine Tante zu deinem Zustand?« Iz.
    »Nich viel.«
    Überall hingen Grünärsche herum, schienen aber nichts zu tun zu haben. An jeder Kreuzung patrouillierte ein paar, Gewehre geschultert, mit den Augen auf der Suche nach Verdächtigen. Große Armeetransporter mit vergitterten Fenstern schossen die Avenues hinauf. Die Scheiben waren verspiegelt, so daß wir nicht sehen konnten, wer fuhr.
    »Und wo is Weezie?« fragte ich. Jude deutete Richtung uptown.
    »Die tigert mit Mico und Bad Conrad und andren mucho üblen Burschn durch die Straßen.«
    »Jude hat ihr gesagt, was heute anliegt und daß sie mithelfen soll. Aber sie wollte nich: ›Bin ja kein Kindermädchen‹.« Iz.
    »Weezie isn Miststück!« sagte Esther, und wir lachten.
    »Gehts ihr einigermaßen?« fragte ich Jude. Jude schien nicht sauer auf mich zu sein, und ich hielt mich an Iz' Rat, nicht danach zu fragen.
    »Hat die Schnauze voll von Weibern, sagt sie. Die bleibt jetzt ne Weile bei ihren Katern.« Jude.
    »Warum sollte jemand bei Jungs sein wollen?«
    »Wenn die Jungs pfeifen, dann tanzt sie, Hinkebein oder nich. Was für Saukerle! Sie darf zwar dabeisein, muß dafür aber nach deren Pfeife tanzen.« Jude.
    »Wennse Scheiße fressen will, dann laßt sie, die Oberscheißefresserin!« Esther.
    »Sei nich fies!« Iz.
    »Wennse schon nach fremdn Pfeifn tanzen will, dann doch nich mit solchen Oberpfeifen!« Jude.
    »Ich würde nie tun, was ein Junge mir befiehlt.«
    »Na, hängt von ab, was das fürn Junge is.« Jude.
    »Weez meint, sie könnts mit denen aufnehmen, selber n Junge sein. Scheiße, die machn mit ihr, wasse wolln.« Iz.
    »Und das wäre?«
    »Und das wäre? Warum wohl darf sie mit denen losziehen?« Iz.
    »Warum mögen Jungs die Mädchen nicht einfach so?«
    »Ohne Hirn biste eben schnell gelangweilt. Mal sollst die Mami sein, mal Schwesterherz, mal Lovergirl. Wer sich mit Jungs abgibt, muß genau wissn, werse is und wasse will, sonst bringn die's dir bei.« Jude.
    Esthers Tante Naomi wohnt in einem Backsteinbau, dessen Fassade schon etwas abbröckelt. Im Eingang riecht es, als pisse jeder im Haus nur an dieser Stelle. Ihre Wohnung war heruntergekommen, aber sauber, wenn auch voller Katzenhaar, weil sie vier Katzen hält. Naomi sah zehn Jahre älter aus als Esthers Mutter. Esthers Taschen brachten wir ins Wohnzimmer, denn dort wird Esther auf der Couch schlafen. »Danke, Mädels«, sagte Naomi. »Ihr könnt Esther besuchen, wann immer ihr wollt, vorausgesetzt, es geschieht am Tag.«
    »Darf ich mit meinen Freundinnen noch raus?« fragte Esther, aber ihre Tante schüttelte den Kopf.
    »Schluß mit Herumrennen in deinem Zustand; du bleibst schön hier, bis das Baby da ist und wir es zu den Adoptionsleuten gebracht haben.«
    »Mein Baby adoptiert mir keiner!« widersprach Esther.
    »Kindchen, du bist noch zu grün, um Mutter zu sein. Da reden wir gar nicht mehr darüber!«
    »Tante, es is mein Kind.« Tante schlug ihr ins Gesicht.
    Wir hielten den Mund und zogen uns Richtung Tür zurück.
    »Du kriegst es, ja, aber es ist deswegen nicht deines, also komm mir bloß nich schräg!« Naomi. Esther weinte nicht oder sonstwas, sondern starrte ihre Tante bloß an, als wolle sie Blut sehen.
    »Wir verziehn uns, ja?« meldete sich Jude, und wir winkten zum Abschied.
    »Ihre Tante hätte Esther nicht schlagen dürfen; sie hat ja nichts Schlimmes gesagt«, regte ich mich auf.
    »Schlimm genug für

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