Ambient 03 - Ambient
York würde nach den Fachleuten des Alten Mannes untergehen; die Bronx und weite Teile des oberen Manhattan würden für immer über den Wellen bleiben. Der Alte Mann plante die Errichtung seiner neuen Stadt, frisch und glänzend hell, auf den goldgrünen Hügeln der Bronx – von denen ihm hundert Prozent des Landes gehörten.
Manchmal hatten meine schlafenden Augen Visionen; einmal erblickte ich das Alte New York, wie es in hundert oder vielleicht fünf Jahren aussehen würde, ein Venedig auf Stelzen: mit Kopfsteinen gepflasterte Anlegebrücken, die sich aus den zehnten Stockwerken der attraktivsten Wolkenkratzer erstreckten; Gondeln, welche die grauen Strömungen durchschnitten, durch die wäßrigen Boulevards, verhangen vom Morgennebel, die Turmhäuser noch immer bewohnbar, hoch über dem Ozean, und die alten Schrecken weit unten in seinen Tiefen. Mister Dryden hatte von Anfang an kein Vertrauen zu meiner Vision gehabt und gelacht, als ich ihm davon erzählte. Er sagte, ich sei ein hoffnungsloser Romantiker. Vielleicht. Manche Träume verbleichen wie billige Färbemittel, zuerst bunt und nach mehrmaligem Tragen immer schmutzfarbener und einförmiger.
Den Rest dieses Nachmittags blieb ich bei Mister Dryden, als er umherging und überprüfte, was er nach seiner Meinung überprüfen mußte. Durch die Dryco-Bank – Chase Manhattan, die, wie so viele andere Unternehmen, während der Ebbe übernommen worden war – konnte Dryco die täglichen Kursschwankungen der internationalen Währungen abwägen, ausnutzen und, wenn nötig, beeinflussen. Seit den Tagen nach der Ebbe, als die Banken aller Länder dazu übergegangen waren, den internationalen Zahlungsverkehr mit Warenlieferungsverträgen statt Papierwährungen abzuwickeln (die Schulden hätten andernfalls niemals bezahlt werden können), hatte Dryco die Hände überall mit im Spiel, aus keinem anderen Grund als dem, daß ihre Beteiligungen und Interessen so weit gefächert waren. Der Alte Mann behauptete, dieses Tauschsystem entwickelt zu haben; wahrscheinlicher aber war es Susie Ds Spielzeug gewesen; sie hatte sich auf diesem Gebiet immer als geschickter erwiesen. Mister Dryden erledigte und programmierte die Einzelheiten des Wochenendgeschäfts: Diamanten aus Mandela wurden im Austausch gegen Chips aus Frankfurt nach Amsterdam verschifft; malaysisches Bauholz wurde im Austausch gegen Drillichstoffe aus Quito nach Tokio geliefert; Bauxit aus kanadischen Minen sollte zusammen mit amerikanischem Pepsi-Cola nach Zeiching und Shanghai geliefert werden, beide im Ringtausch gegen vietnamesische Fernsehgeräte, die nach Frankreich gingen und die Gegenlieferung für Champagner darstellten, der bald in Westchester auf Mister Drydens Tisch stehen sollte. Da wir uns mit Rußland und seinen Verbündeten im Krieg befanden, wurde der gesamte Handel mit ihnen ausschließlich während der ersten Wochenhälfte und durch eine andere Vermittlungsstelle durchgeführt.
Ich kontrollierte die Notierungen unserer Tochtergesellschaften am Aktienmarkt. Meine Informationen ließen durch irgendeine Verzögerung auf sich warten. Zwei Stunden zuvor, beim Abschluß der Konferenz, war Satcom von der großen Anzeigetafel verschwunden, und alle von anderen Gesellschaften und aufstrebenden Kleinaktionären gehaltenen Anteilscheine gingen plötzlich in den Besitz der Dryco über – denn Dryco war nicht Mitglied der Börsengremiums und gab keine Anteilscheine an den Wertpapierhandel ab; der Alte Mann traute dem Markt nicht, wie er sagte. Sobald die letzten Selbstmorde registriert und die Veränderungen der Besitzverhältnisse eingespeichert waren, bekam ich sehr rasch meine Informationen und fand, was ich suchte. Gegen vier ging ich zu Avalon, um mit ihr zu reden.
»Hier?« fragte sie.
»Zu viele Ohren«, sagte ich mit einem Blick zu Mister Dryden. »Ein Stück abwärts.«
Wir nahmen den Lift zur Zentralen Datenverarbeitungsabteilung im fünfzigsten Stock. Als wir den Aufzug verließen, umfaßten wir einander gegen die Kälte, denn die Klimaanlage wirkte auf dieser Ebene stark. Als wir zum Hauptbüro gingen, wehte uns der Atem in Wolken von den Mündern.
Das Büro war voll. Die Datenverarbeiter, größtenteils Frauen, arbeiteten früher mit kleinen Datenanschlüssen gegen Stücklohn in Heimarbeit. Nachdem viele Geräte gestohlen oder anderweitig eingesetzt worden waren, mußten alle Dryco-Datenverarbeiter zweiunddreißig Wochenstunden im Schichtbetrieb im Büro arbeiten; im Durchschnitt
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