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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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bremste plötzlich, und der Mann wurde zwischen zwei Postlastwagen geschleudert und zermalmt. Der Bus kroch noch ein Stück weiter, näherte sich der Bordsteinkante auf zwei Meter; die Türen öffneten sich.
    »O'Malley«, schnaufte Avalon, »nichts wie hinaus! Das ist furchtbar …«
    »Zu spät …«
    Dutzende von Menschen stürmten den Bus; ich fühlte, wie meine Füße den Boden verließen, als wir hineingerammt und weitergeschoben wurden. Der Fahrer schien sich nicht um die Erhebung der Fahrpreise zu kümmern, starrte müßig geradeaus und kaute an einem Zahnstocher. Nach einiger Zeit fanden wir uns im vorderen Viertel des Busses wieder, so fest eingepreßt in die Menge, als wären wir in Zement gefallen. Indem sie die Sitze aus den Bussen herausgenommen hatte, war es der Stadt möglich gewesen, Raum für zusätzliche Fahrgäste zu schaffen.
    »Stept'rrr'd'gm'pl'z«, knatterte die verstärkte Stimme des Fahrers aus den Lautsprechern: die Tonqualität ließ an jemanden denken, der, eingeschweißt in eine Öltonne, im Moor versank und um Hilfe rief.
    »Scheiß …«, stieß Avalon hervor; während des letzten Schubs waren wir getrennt worden. »Ich ersticke …«
    »Halt aus!« keuchte ich. Jemand stieß mir einen Schirm in die Seite; noch immer war es unmöglich, die Arme zu heben. Ich war nicht sicher, wie weit wir gefahren waren; so viele Passagiere hingen außen am Bus, daß es unmöglich war, an ihnen vorbeizusehen. Der Bus kam schwankend und schaukelnd zum Stillstand. Eine weitere Ladung preßte sich herein.
    »O'Malley«, schrie Avalon. »Hilf mir!«
    Nur ihr Kopf war sichtbar; sie trieb langsam von mir fort und wie auf einen Strudel zu. In der Mitte des Busses wurde das Gedränge flüssiger; in der Gewißheit, daß ich nicht fallen würde, beugte ich mich weit vorwärts. Es schien beinahe möglich, hinüber zu schwimmen.
    »Hilfe!!« Avalon streckte die Hand aus; mit enormer Anstrengung warf ich mich vorwärts und ergriff sie.
    »Wenn wir wieder halten«, keuchte ich, da ich sah, daß sie auf einer Höhe mit der mittleren Tür war, »wühlst du dich durch. Mit Stoßen und Treten, wenn es nicht anders geht. Hauptsache, du kommst hinaus.«
    »Ja«, sagte sie.
    Der Bus hielt; ein Zischen ließ vermuten, daß die ungesehene Tür aufging.
    »Jetzt!«
    Einer meiner Füße streifte den Boden; ich stieß mich ab und vorwärts. Avalon war draußen; ein massiger Mensch blockierte den Ausstieg, weil er hinein wollte.
    »Mach Platz!« rief ich, als die Türen sich zu schließen begannen.
    »Leck mich!« rief er zurück. Ich wußte, dies würde zu nichts führen; mit der freien Hand holte ich aus und schlug ihm die Knöchel zwischen die Augen. Sein großes Gewicht keilte die Türen auseinander; als er rücklings hinausfiel, purzelte ich mit ihm auf die Straße. Der Bus fuhr davon und blies eine mächtige schwarze Dieselwolke über uns.
    »Schami«, rief Avalon und eilte herbei, mir zu helfen, »fehlt dir was?«
    Mein Anzug war unter dem langen Mantel zerrissen. Einer meiner Schuhe hing nur noch am Vorderfuß. Avalons Gesicht war zerkratzt, ihre Stiefel verschrammt und schmutzig. Frische Flecken zierten ihre Jeans, und ihr Pullover war bis zu den Brüsten hochgezogen; als sie ihn herunterzog, sah sie mich seltsam an, dann schrie sie plötzlich: »Du bist verletzt!«
    »Nein, Unsinn«, sagte ich, befühlte mein Gesicht, um zu ermitteln, was geschehen war, und fragte mich, warum ich keinen Schmerz fühlte. »Oder doch?«
    »Jemand hat dir das Ohr abgebissen.«
    Ich hob die Hand zur Kopfseite und entdeckte eine beklagenswerte Abwesenheit. »Er ist weg«, sagte ich. »Mein Ohrring.«
    »Und was ist mit deinem Ohr?« fragte sie. »Es blutet noch nicht.«
    »Es wird nicht bluten«, sagte ich. »Sie sind künstlich. Ich kann ein anderes Ohr kriegen …«
    »Ich werde dir neue Ohrringe besorgen. Komm mit!«
    »Sie waren ein Geschenk von Enid …«
    »Wo sind wir überhaupt?«
    »Kreuzung Seventh Avenue und 26. Hier fängt Chelsea an. Komm mit!«
    Mit unseren Drydenkarten hatten wir keine Schwierigkeiten, die Sekundärzone Chelsea zu betreten, ungeachtet unseres mitgenommenen Aussehens. Chelsea, vollgestopft mit Bourgeois, war eine schreckliche Gegend, in der es von Leuten wimmelte, die von Unternehmen wie Dryco nach Manhattan gelockt worden waren, alle hypnotisiert von dem Versprechen, daß sie sich mit ein paar wohldurchlittenen Jahren hier den vorgegebenen Weg zu Geld und Ansehen in anderen, sonnigeren Gegenden des Landes

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