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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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amerikanische Flagge schlaff an ihrer Stange. Hinter seinem Schreibtisch hing das offizielle Porträt des Präsidenten. Die Augen waren so aufgenommen worden, daß ihr starrer Blick einem durch den Raum folgte. Die Auszeichnungen des Obersten ruhten in einem kleinen Schaukasten auf seinem Arbeitstisch. Zur Rechten seines Datenanschlusses ruhte eine Puppe, lehnte zusammengesunken am Gehäuse, als hätte sie einen langen Marsch hinter sich. Solche Puppen, gefüllt mit ausgewählten Ingredienzen, wurden von den Aufklärungseinheiten gelegentlich in geeigneten Gegenden der Insel zurückgelassen.
    »So, sagte er«, sagte der Oberst, doch klang es nicht wie eine Frage.
    »Einheit zwölf steht seit dreiundzwanzig Tagen in Front. Sie benötigt Nachschub auf dem Luftwege, außerdem Ersatz.«
    »Sie werden noch eine Weile zappeln müssen«, sagte der Oberst. »Wir haben keine Möglichkeit zur Unterstützung. Erst nächste Woche.«
    »Verzeihung, Sir, aber zwei Staffeln aus Jersey sind bereit und fertig, Sir. Heute früh eingetroffen, Sir.«
    »Nicht mehr«, sagte der Oberst und wandte den Kopf in meine Richtung; seine Augen waren viel beunruhigender als die des Präsidentenporträts. »Erhielt um elf Anweisung vom Gruppenhauptquartier, daß sie für die Verlegung nach Hunts Point benötigt werden.«
    »In der Bronx, Sir?«
    »Warum, Sir?«
    »Um Gebäude niederzulegen, die überflutungsgefährdet sind.« Er machte eine Pause und starrte in meine Richtung. Einer seiner Backenmuskel zuckte, als ob etwas darin sich losreißen wollte. »Irgendwann vor dem Ende dieses Jahrhunderts.«
    »Aber, Sir …«
    »Sagen Sie es ihm.« Er nickte zu mir herüber, verschränkte die Arme vor der Brust und zeigte die Zähne. Sein Gebiß paßte nicht so gut wie Avalons. Ich bemerkte, daß er einen Revolver im Hüfthalfter trug.
    »Oberst Willis«, sagte ich, »mir wurde gesagt …«
    »Zu tun, wie Ihnen gesagt wird«, schnitt er mir das Wort ab. »Und das werden Sie tun, solange Sie hier sind. Ihr Chef ließ mich wissen, daß Sie inkognito zu ihm gebracht werden sollen.«
    »Ja, Sir …«
    »Und beeilen Sie sich, sagte er zu mir, bevor er auflegte.«
    Ein Krachen und Rauschen atmosphärischer Störungen drang aus dem Kurzwellenempfänger wie Feuerwerkskörper am Silvesterabend. Der Oberst wandte sich um und nahm das Mikrofon.
    »77A257. Ende.«
    »Meldung vom Mount Misery, Sir«, polterte eine Stimme; Rauschen und Zischen im Hintergrund machte sie beinahe unverständlich. »Aufklärungsoperation auf Eins Null liegengeblieben. Taktischer Rückzug verzögert. Ende.«
    »Verluste? Ende.«
    »Schwer«, sagte die Stimme; sie verbesserte sich: »Total. Ende.«
    »Bergungsaktion erforderlich? Ende.«
    »Keine. Ende.«
    Der Oberst seufzte. »Verstanden. 22991. Ende.«
    Er deutete auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch und nickte mir auffordernd zu. Ich setzte mich, seiner Stimmung ungewiß, in Sorge um Avalon und voll Ungeduld, weiterzukommen.
    »Ich weiß nicht, warum es so wichtig ist, daß ich meine Zeit darauf verwende, Sie zur Stadtmitte zu schaffen«, sagte er. Seine Adjutanten und Stabsoffiziere sahen still zu, als ob sie hofften, durch ihr Stillschweigen könnten sie irgendwie verschwinden. »Aber es gibt vieles, was ich nicht weiß.«
    »Sir …«
    »Für mich sind Sie ein Scheißhaufen auf der Straße. Aber wenn er anruft, springe ich. Muß ich springen. Ich nehme an, Sie müssen ihm ziemlich nützlich sein, um solch eine Vordringlichkeit zu bekommen.«
    »Er möchte mich so bald als möglich in seinem Büro sehen, Oberst«, erinnerte ich ihn. Er stand auf und schlenderte um seinen Schreibtisch. Obwohl ich saß, konnte ich erkennen, daß er einen Kopf kleiner war als ich. Seine untersetzte Stämmigkeit erweckte den Eindruck, daß er zur besseren Raumausnutzung zusammengedrückt worden sei.
    »Sie werden hinkommen«, sagte er. »Sie mögen ihm wichtig sein, aber Sie sind nicht er. Wahrscheinlich haben Sie nicht mehr zu sagen als ich. Es ist mir wirklich scheißegal.«
    »Oberst, ich glaube nicht, daß ich verstehe …«
    »Spielt keine Rolle«, sagte er, »ob Sie das verstehen oder nicht. Es gibt etwas anderes, was ich Ihnen zu verstehen geben möchte, solange Sie uns diesen kleinen Besuch abstatten. Etwas, das Sie den Leuten zu Hause erzählen können.«
    Er schob die Hand näher an seinen Revolver, als hielte er mich für töricht genug, Gewalt anzuwenden.
    »Ich tue hier seit drei Jahren Dienst«, sagte er. »Jeden Monat sehe ich neue Männer

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