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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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werden«, sagte er und blickte einen halben Meter neben mich, »aber das ist dank Ihrem Menschenschinder von einem Chef verdammt unmöglich. Sagen Sie ihm das! Eines Tages wird er ja sagen, und jemand wird nein sagen. Richten Sie ihm das aus.«
    »Ich werde ihm sagen, warum ich mich verspätet habe.«
    Der Oberst war ein Mann von schnellen Reaktionen. Bevor ich den Arm heben konnte, mich zu schützen, holte er aus und traf meine Gesichtsseite mit einem harten Faustschlag. Ich fühlte den Backenknochen brechen, und alles verschwamm rot vor meinen Augen. Als meine Sicht sich wieder klärte, sah ich ihn seine Hand reiben, als hätte er sich bei seinem Schlag Fingerknöchel geprellt oder gebrochen. Ich faßte die Armlehnen und versuchte aufzustehen. Hätte ich es nicht so eilig gehabt, Avalon zu suchen, solange noch Zeit sein mochte, wäre ich ohne Zurückhaltung über ihn hergefallen und hätte die Folgen auf mich genommen.
    »Hinaus mit ihm!« sagte der Oberst durch sein Gebiß. »Lassen Sie ihm eine Uniform verpassen! Und schaffen Sie ihn mir aus den Augen!«
    »Jawohl, Sir«, sagte ein blasser junger Hauptmann, trat auf mich zu und nahm mich beim Arm. »Hier entlang!«
    Er führte mich aus dem Büro und über das Stützpunktgelände zum Versorgungsdepot. Wenn ich die Hand gegen mein Gesicht preßte, konnte ich fühlen, wie die Knochen aneinander rieben, als wären sie Steine in einer Mühle; verstärkte ich den Druck, wurde der Schmerz unerträglich. Es war wie das Abtasten eines Furunkels. Doch indem ich ihn so kontrollierte, gewöhnte ich mich rasch an den dumpf pochenden Schmerz in der betroffenen Gesichtshälfte. »Der Oberst steht unter enormer Anspannung, Sir«, sagte der Hauptmann. »Bitte wägen Sie die Faktoren ab, bevor Sie Meldung machen.«
    »Bringen Sie mich aus dem Hauptquartier und wohin ich will«, sagte ich. »Bitte.«
    Das Versorgungsdepot war so gut sortiert wie jedes Geschäft in Manhattan, das Material irgendwelcher Art verkaufte. Leere Regale säumten die Hälfte der Wände. Viele von den vorhandenen Uniformen schienen wieder aufgearbeitet zu sein, mit Flicken und schlecht vernähten Rissen. Ich bekam die Felduniform eines Hauptmanns – zu lang in den Armen, zu eng um die Hüften –, die meiner Größe am nächsten kam. Meine Stiefel brauchte ich nicht zu wechseln, wofür ich dankbar war. Ich zog meinen langen Mantel über die Uniform, brachte auf den Schultern die mir übergebenen zusätzlichen Rangabzeichen an und war bereit. Mein Gesicht schmerzte nicht übermäßig. Der Kammerbulle schob mir einen Revolver über den Tresen. Ich hob ihn auf und staunte über sein Gewicht; obwohl ich im Gebrauch von Feuerwaffen ausgebildet war, hatte ich seit Jahren keine in der Hand gehalten. Früher, dachte ich bei mir, schienen sie leichter gewesen zu sein, im Gegensatz zu allem anderen.
    »Brauche ich nicht«, sagte ich und legte die Waffe wieder aus der Hand.
    »Nehmen Sie nur«, sagte er. »Man kann nie wissen, wann einem so ein Ding zustatten kommt.«
    »Ich habe Waffen.«
    »Unerwartete Situationen verlangen unerwartete Reaktionen«, meinte er. »Es ist besser, man ist auf alles gefaßt.«
    Das war nicht von der Hand zu weisen. Alle Armeejungen schleppten Schußwaffen mit sich herum, und es galt dem Anschein Rechnung zu tragen; überdies, erkannte ich, würde niemand bei Dryco vermuten, daß ich mich mit einer Amateurspezialität ausrüsten würde.
    Ich steckte sie in die Tasche. »Nun wohin?« fragte ich den Hauptmann.
    »Hinüber zum Fahrzeugpark«, sagte er und zeigte mit ausgestrecktem Arm. »Fragen Sie nach Panzerman.«
    »Welchen Rang hat er?«
    »Sie kennen ihn. Fragen Sie einfach nach ihm, er ist unterrichtet. Sagen Sie ihm nicht, daß sie ein verkleideter Zivilist sind.«
    »Warum nicht?« fragte ich.
    Er ging nicht darauf ein. »Panzerman wird Sie fahren.«
    Ich verließ den Hauptmann und wankte hinüber zum Fahrzeugpark. In der Verwaltungsbaracke saß ein Gefreiter am Schreibtisch und wartete auf Anweisung. Er blätterte in einem Exemplar der Times PRÄSIDENT LÜGT, SAGT VIZE, lautete die Schlagzeile.
    »Sind Sie Panzerman?«
    »Draußen«, grunzte der Gefreite, ohne aufzublicken. Ein Hupen fesselte meine Aufmerksamkeit, und ich wandte mich um. Vor der Baracke hielt ein kleiner, offener Vierradwagen. Der Fahrer sah wie sechzehn aus und trug eine Brille mit Goldrand. Eine lange Narbe auf seiner rechten Wange ließ darauf schließen, daß er sich mit einem Hackmesser rasierte. Auf den

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