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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Geburtstag freiwillig melden; wenn einer unbedingt wollte, konnte er sicherlich auch schon mit dreizehn zur Armee gehen, sofern er die Mindestanforderungen an Körpergröße und Gewicht erfüllte.
    »Klar?« fragte ich; er wollte sich von der Karte nicht trennen und untersuchte sie so eingehend, als ob sie in Sanskrit gedruckt wäre.
    »Schnauze!« sagte der Armeejunge. Er hielt meine Karte gegen das Licht, und es erschien das Logogramm der Dryco. Er grinste in erfreutem Wiedererkennen. Nachdem er mir die Karte ehrerbietig zurückgegeben hatte, befestigte er ein Besucherabzeichen an meinem Mantel.
    »Kann ich gehen?« fragte ich.
    »Nicht verlieren«, sagte er in einem Ton, als hoffe er, ich würde es verlieren. Zur Rechten erhob sich jenseits der Eingangskontrolle und hinter einem gründlich ausgeweideten Lastwagen eine riesige Bekanntmachungstafel, zernarbt und durchlöchert von Kugeleinschlägen.
     
    Meldungen über
    Bombenanschläge/Terror/Brandstiftung/Mord
    werden hier angenomen. Vertrauhlichkeit zugesichert.
    Belohnungen nur wenn Meldungen
    zur Festnahme der Täter führen.
    Rufen Sie 6333612-797-3600 Nebenst. 297
    753 Abt. 3131 Code 7 Baker
     
    Daß die Tafel innerhalb des Militärgeländes stand, fand ich sehr interessant.
    Man konnte einen Militärposten in Manhattan auf den ersten Blick von einem Militärposten auf Long Island unterscheiden. In Manhattan waren es Armeejungen vom Lande, überwiegend Weiße, die sich zackig gaben und deren Haltung suggerierte, daß sie Streit suchten, seit sie sich aus dem Kinderbett geschwungen hatten, um den Familienhund zu erwürgen. Die Einheiten auf Long Island bestanden fast ausschließlich aus Schwarzen und Latinos und eingebürgerten Asiaten, Großstadtjungen mit drogenfeuchten Augen, aber mit einem Ausdruck im Blick, den man nur bei jenen finden kann, die mit sechs Jahren unter dem Bett versteckt zugesehen hatten, wie ihre Familien von Fremden abgeschlachtet worden waren. Die Armee hielt es für zweckmäßig, daß ihre Angehörigen mit ungewohnten Situationen konfrontiert wurden, um Beweglichkeit und Reaktionsvermögen zu erhalten und zu stärken.
    »Wo ist die Kommandozentrale?« fragte ich einen Kerl, der, wie ich zuerst dachte, zurückgelehnt auf einem Stapel von Proviantsäcken lag; erst nachdem ich bemerkt hatte, daß das Krematorium hinter ihm stand, ging mir auf, daß die Säcke mit früheren Mitgliedern seines oder eines anderen Zuges vollgestopft waren.
    »Wer will das wissen?« Zum Sprechen nahm er die Pfeife aus dem Mund und stieß dicken blauen Rauch aus. Wieder zeigte ich meine Drydenkarte vor, als er sich herüberbeugte und um ein Haar vom Stapel gefallen wäre. »Drittes Gebäude rechts«, sagte er und steckte die Pfeife wieder in den Mundwinkel.
    Als ich davonging, wurde mir nach und nach ein an Stärke zunehmendes Getöse bewußt. Wind fegte Staubwolken durch das Gelände. Dann sah ich zwischen den Gebäuden das Flugfeld; Hubschrauber starteten und landeten wie Tauben auf der Straße, luden aus und faßten Menschen und Material. Ihre Nasen zeigten die Wappenschilder der Heeresaufklärungsgeschwader Nassau und Suffolk. Mit flirrenden Rotoren und summenden Triebwerken nahmen sie Armeejungen an Bord, die Ronkonkoma und Wantagh stürmen sollten, spuckten die Opfer taktischer Rückzüge in den Dünen von Wainscott und Amagansett aus. Jeder Hubschrauber hatte eine Stereoanlage an Bord, um die Jungen zu unterhalten und beim Rücktransport Verwundeter die Schreie zu übertönen. Sanitätsfahrzeuge standen auf dem Flugfeld, und Lazarettpersonal markierte die Stirnen der Verwundeten je nach Art der Verletzung mit purpurnen Buchstaben.
    Ich vermutete, daß das nächste Gebäude die psychiatrische Abteilung enthielt, da nirgendwo ein Fenster zu sehen war. Neben dem Eingang war das schwarze Brett für den Bereich des Hauptquartiers angebracht. Die Stelle einer Überschrift nahm eine Anweisung folgenden Inhalts ein:
     
    AUSSTELLUNG NICHT GENEHMIGTER
    BILDER VERBOTEN
     
    Den unteren Rand des Schwarzen Brettes zierten Hochglanzvergrößerungen; ob genehmigt oder nicht genehmigt, konnte ich nicht erkennen. Sie zeigten in allen Farben die Erfolge einer kürzlich durchgeführten Operation bei Riverhead: Armeejungen stützten, der Kamera zuliebe, zerschmetterte und zerfetzte Burbies, wie die Long Islander von der Armee genannt wurden. Auf dem letzten Bild stand ein Armeejunge mit einem spärlichen Schnurrbart über seinem Lächeln zwischen zwei gußeisernen

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