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Ambient 04 - Terraplane

Ambient 04 - Terraplane

Titel: Ambient 04 - Terraplane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Wagenladung kam von rückwärts, blieb mehrere Wagenlängen hinter uns. »Sie fahren allen nach, die ohne offizielle Begleitung und Aufsicht sind«, erklärte ich. Jake schenkte ihnen einen Moment lang seine Aufmerksamkeit. »Sie werden von uns ablassen, sobald unsere Rechtschaffenheit erwiesen ist.«
    »Wird das sein?«
    Auf der rechten Fahrspur kam ein dritter schwarzer Marx daher; alle waren unzweifelhaft auf die Frequenz der Abhörwanzen in unserem Taxi eingestellt, um unsere Geständnisse zu hören. Ihren Verdacht zu zerstreuen, machte ich auf örtliche Glanzpunkte aufmerksam; Jake gähnte. Die Sonne, ein rosa Ball, der den Horizont entlangschlich, gab wenig Wärme und Licht von sich. Die prachtvollen Zwiebelhauben der Basiliuskathedrale, freigefegt von Schnee, strahlten in den Lavendeltönen des Morgens. Auf dem Roten Platz sahen wir die Touristenschlange vor den inquisitionsmäßigen Mauern und Türmen des Kreml auf ihren Augenblick an Lenins Glassarg warten. Im winterlichen Licht erschien sein Mausoleum mit der Farbe getrockneten Blutes eingefärbt. Aus der Ferne war Moskau anziehend; aus der Nähe besehen, trug die Stadt immer den Anschein einer schlechten Kopie: Einzelheiten verschwammen, Farben waren nicht richtig, Bilder bluteten an den Rändern aus. In der mittleren Entfernung bohrten sich Zuckerbäcker-Wolkenkratzer aus den Tagen des großen Mannes in den Himmel, während sie auf eine lange hinausgeschobene Feier warteten. Wir erreichten den Laden. Ich klatschte unserem Fahrer einen Fünfer in die Hand.
    »Sie machen sogar auf den Scheinen Reklame?« fragte Jake und betrachtete eine Zehnrubelnote, während ich mein Wechselgeld nahm. Ich entscheinte ihn und warf einen Blick auf die Ornamente, die Achmatowas entspitztes Profil umschlossen.
    »Auch auf Münzen«, sagte ich. »Briefmarken, Wertpapieren, was du willst.« Die Botschaft auf der Zehnrubelnote lautete: Hamsterer schädigen die Nation. Ein kleingedruckter Hinweis pries die unvergleichliche Zolotskowa-Einkaufsstraße. Unser Taxi sauste davon, auf der Suche nach frischem Kapital. Jake schnappte sein Geld zurück.
    »Gehen wir einkaufen oder austoben?« fragte er mit einem Blick ladenwärts. Menschenmassen drängten sich hinter schweren Metallsperren, die mit hohen, scharfen Spitzen besetzt waren. Erwachsene hoben Säuglinge über das Gedränge, während die Menge auf ihr Stichwort wartete, um das Geschäft zu stürmen und zu plündern. Alte Leute fegten unbevölkertes Pflaster mit Reisigbesen, vertrieben Spatzen von den Entlüftungsöffnungen. Wir vertrieben uns die Zeit mit einem Blick auf die ausgehängten Waren eines benachbarten Zeitschriftenstandes. Neben Prawda und Iswestija waren russische Magazine, bunt von unechten Farben, mit chemischen Duftnoten beladener Schund. Da ruhten auch amerikanische Magazine, die nicht weniger verläßlich waren als die russischen Journale; Krasnaja zensierte nur die Anzeigen und ließ Erwartungen nicht höher steigen, als vorgeschrieben war. Die Ladensirene heulte auf, als sei ein Feuersturm ausgebrochen; wir durchfilterten die Menge, gefolgt von unseren neuesten Fans.
    »Wo trifft und begrüßt man sich?« fragte Jake.
    »Kriegsspielzeug«, sagte ich. »Zweiter Stock.«
    Rußland liebte die Kinder, die es nicht umbringen mußte. DETSKY MIR verkaufte die Spielsachen aller Nationen als russisch; diejenigen, die wirklich eigener Produktion entstammten, waren an ihrer Tendenz kenntlich, unter der Last des Staubes zu zerbrechen, der sich auf ihnen absetzte. Das altmodische Innere, transplantiert mit frischen Organen, wie die Mode es verlangte, ähnelte dem zentralen Auktionshaus der Postverwaltung. Ausgepolsterte Mütter, bis zur Unbeweglichkeit eingepackte Kleinkinder, Männer mit beunruhigten Mienen und mißgelaunte Babuschki schoben sich wie verirrte Gespenster durch die Gänge. Ein runzliges Scheusal beäugte Jakes unbedeckten Kopf mit dem pomadisierten Haar und rief: »Schapko propil!« Bevor er zupackte, erwischte ich seinen Arm und zog ihn herunter.
    »Ihre Haltung zeigt es klar«, sagte er mit rot anlaufendem Gesicht. »Übersetze ihre Beleidigung.«
    »Beachte sie nicht, Jake«, sagte ich. »Sie sagte, du mußt soviel Geld verschwendet haben, daß du dir keinen Hut leisten kannst.«
    »Alte Triefnase.« Während er sprach, schob er eine Münze zwischen Daumen und Fingern herum; verbog sie und drückte sie wieder flach, als die Farbe aus seinem Gesicht wich. »Diese Nachzügler schließen auf. Sollte ich

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