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Ambient 04 - Terraplane

Ambient 04 - Terraplane

Titel: Ambient 04 - Terraplane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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war.
    »Haben Sie irgendwelche Schwierigkeiten mit dem Gesetz?« fragte Doc mit gedämpfter Stimme.
    »Soviel ich weiß, haben wir gegen keine Rechtsmodalitäten verstoßen.«
    »Packen Sie aus, wenn Sie auf der Flucht sind, Freund! Wenn Sie was auszupacken haben, dann packen Sie jetzt aus, um meinetwillen, damit ich weiß, was vorgeht. Ich werde Sie nicht verpfeifen, es sei denn, Sie geben mir Grund dazu.«
    Das eigenartigste Merkmal der Paranoia ist, daß man jenen, die einem am nächsten stehen, am wenigsten traut, während ein Fremder die sicherste Vertrauensperson sein kann; gleichwohl vertraute ich diesem noch nicht. Wenn wir überlang bei ihm verweilten, und unter Umständen, die wir vielleicht nicht bestimmen konnten, würden wir ihn ins Vertrauen ziehen müssen, es sei denn, er erriet es schon vorher. Beinahe hätte ich mich geoffenbart, befürchtete aber, daß er uns kurzerhand aus dem Wagen werfen würde. Die gegenwärtige Notwendigkeit des Verarztens überwog die Notwendigkeit der Information; ich blieb still.
    »Stellen Sie sich eine Minute in meine Schuhe«, sagte er; warum sollte ich? fragte ich mich, sagte es aber nicht. »Ich fahre mitten in der Nacht über die Wiesen. Erwische Sie, wie sie zu dritt aus dem Sumpf gekrochen kommen. Ein Neger, ein weißer Mann, eine weiße Frau. Eine verletzte weiße russische Frau. Alle drei schmutzig und zerschlagen. Mit Blut bedeckt. Sie glauben, die Leute würden nicht mehr tun als bloß die Hälse recken? Einer versuchte Sie anzufahren, großer Gott. Sie können sich alle glücklich schätzen, daß niemand Sie abknallen wollte, nur aus Prinzip.«
    »Warum haben Sie uns geholfen, wenn wir uns so verdächtig zeigten?«
    »Ich bin Arzt«, sagte er. »Gott hilft Dummköpfen, Ärzte helfen Leuten. Wenn Gott den Leuten helfen würde, statt den Dummköpfen, würde die Welt ein Paradies sein, nicht wahr?« Er zog eine Zigarette aus der Brusttasche des Hemdes, steckte sie in einen Mundwinkel, drückte einen Knopf am Armaturenbrett und warf eine zerdrückte Zigarettenpackung darauf. LUCKY STRIKE sagten die roten und grünen Farben; Weihnachtsfarben. »Glauben Sie, daß Sie Ihr Flugzeug bergen können?«
    »Es ist beschädigt«, sagte ich. Das war stark übertrieben, aber niemand hier konnte die erforderlichen Reparaturen ausführen. Der Knopf klickte; er zog ihn heraus und zündete sich mit dem glühenden Ende seine Zigarette an. Schädlicher Rauch saugte den Luftsauerstoff fort.
    »Was? Haben Sie noch nie 'nen Zigarettenanzünder gesehen?«
    Ich starrte ihn an. »Ärzte rauchen nicht.«
    »Vielleicht nicht die Ärzte, die Sie kennen. Wenn ich nicht rauchte, könnte ich mir das Essen nicht leisten«, lachte er und schlug sich auf den Bauch. »Soviel wie ich wegstecken kann.« Er blies Rauch von sich, als wollte er einen Blasebalg in Bewegung setzen; ich rückte näher zum Fenster, schluckte Jerseyluft. »Ein Flugzeug also«, sagte er. »Genau wie der alte Lindbergh. Letztes Jahr war ich bei einer Flugvorführung draußen auf dem Holmes-Flugplatz. Diese Negerpiloten aus Kalifornien, Sie wissen schon. Die zogen eine mordsmäßige Schau ab. Das war eine Sache, Bruder. Da ging man als ein stolzer Mann hinaus.«
    »Wir wollten nur heimwärts«, sagte ich.
    »Heutzutage ist jeder auf der Wanderschaft«, sagte er. »Wer viel hat, reist, wer nichts hat, reist. Wer gerade so zurechtkommt, wie ich, kommt nicht viel herum. Viele Leute landen in New York. Die meisten können sich hier irgendwie durchschlagen. Besser hier als in den meisten anderen Städten, glauben Sie mir, Bruder, besonders für unsereinen.« Er klopfte mir auf die Schulter. Ich machte mir Gedanken über sein Mißtrauen; er hatte uns nicht nach unserer genauen Herkunft gefragt. Ob ich zuviel hineinlas oder ob er nicht sicher war, daß er es wissen wollte, konnte ich nicht erraten. »Haben Sie lange gebraucht, hierher zu kommen?«
    »Ja«, sagte ich.
    Der Sumpf blieb hinter uns zurück; wir fuhren mit leichter Steigung auf die Stadt zu. Über der Silhouette Manhattans zeigte sich deutliche Helligkeit am Osthimmel. Durch die Wagenfenster gesehen, belebte sich das Panorama draußen mit einer steigenden Flut von Einzelheiten, bis alles in einem Sturzbach zusammenfloß, der ein Amerika zeigte, das in der gefolgerten Unschuld seines Weges schreckenerregend war. Die Flut führte schäbige Touristenherbergen mit sich, stromlinienförmig verchromte Schnellrestaurants, ziegelgedeckte Tankstellen, die Sinclair zu zwanzig oder

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