Ambient 04 - Terraplane
dringend.«
Heiterkeit spaltete sein Wachsgesicht; war es mein Aussehen oder meine Rede? fragte ich mich, und fürchtete, daß wir einen wenig vertrauenerweckenden Anblick boten. »Ich bin Arzt«, sagte er, kniete neben Oktobrjana nieder, nahm ihr Handgelenk, den Puls zu fühlen, und tätschelte ihr Gesicht, um sie aufzumuntern. »Miss, können Sie mich hören? Was fehlt Ihnen? Hören Sie mich?«
»Da«, lallte sie, die Augen geschlossen. »Govoritje livy porusski?«
»Russisch?« sagte er. »Großer Gott. Ya govoritje«, sagte er, »ein wenig.« Sie erschlaffte wieder, und kein Gespräch schloß sich an. Er verarztete: befühlte ihren Hals, zog die Augenlider hoch, berührte ihre Zehen, stieß hinter die Ohren. Er nahm eine kleine Taschenlampe und leuchtete in ihre geweiteten Pupillen.
»Keine Knochenbrüche«, sagte er, tastete ihren Bauch ab, schien nach der Leber zu fühlen. »Hat kräftig einen über den Kopf gekriegt, wie es aussieht. Was ist passiert?«
»Ein Unfall«, sagte ich. »Wir sind Reisende.«
»Was für ein Unfall?«
»Unser Flugzeug ging nieder«, sagte ich. »Da draußen.« Er hob den Kopf und spähte eine Weile zum dunklen Sumpf hinaus.
»Ich glaube, ich sehe es.« Er stand mit der Anmut des dicken Mannes auf. »Sie hat eine leichte Gehirnerschütterung. Einen Schock, das ist zu erwarten. Wann war der Unfall?«
»Um halb«, sagte Jake.
»Halb was? Gut, daß Sie das Mädchen eingewickelt haben. Wird bald wieder auf Draht sein, Hauptsache, wir bringen sie bald in die Stadt.« Er schlug sich wie ein Flagellant dreimal ins Gesicht und in den Nacken. »Die verdammten Schnaken. Wenn wir noch lange in diesem verdammten Sumpf bleiben, kriegen wir Malaria. Was ist mit Ihnen? Sieht so aus, als hätten Sie auch eine hübsche Abreibung bekommen«, sagte er, als er den Lichtkegel der Taschenlampe über meine Stirn gehen ließ und meine Beulen und Platzwunden besichtigte. »Sonst noch irgendwo verletzt?«
»Überall, aber nichts von Bedeutung«, sagte ich. »Jake kugelte sich die Schulter aus, aber wir haben sie wieder eingerichtet.«
»Scheiße. Und Sie laufen herum?« fragte er Jake.
»Diodin enthält Antischockwirkstoffe. Wenn ich längere Zeit sitzen würde, wäre ich schon weggetreten. Während der ersten fünfzehn Minuten ist Stehen erforderlich.«
Der Mann sah ihn verdutzt an; möglicherweise verwirrte ihn Jakes Wortwahl. »Sie sind ein merkwürdiger Haufen. Können von Glück sagen, daß Sie es geschafft haben. Wie hoch flogen Sie?«
»Wir notlandeten im Gleitflug«, sagte ich. »Beinahe freier Fall.« Die Stimme des Mannes faszinierte mich; ich fragte mich, ob wir uns in seinen Ohren so fremd anhörten, wie er sich in unseren ausnahm. Seine eigentümliche Betonung, der nasale Singsang seiner Sprache – alles verblüffte mich. »Wir sind rauhe Wege geritten«, sagte ich. »Sind wir krankenhausnah?«
»Wir fahren in meine Praxis«, sagte er, schob sich den Hut in den Nacken, entjackte sich, zeigte ein durchgeschwitztes Hemd. Sein Unterhemd zeichnete sich klar ab. »Ein kleiner Vogel sagt mir, daß Sie alle vorerst nicht mit allzu vielen Fremden allzu viel zu tun haben wollen. Ist das eine gute Vermutung? Fassen Sie mit an, dann schaffen wir das Mädchen in den Wagen. Über alles weitere können wir später reden. Sind das Ihre Koffer?« fragte er. »Werfen Sie sie in den Kofferraum.« Er ging schwerfällig voran, sperrte den Kofferraumdeckel auf, zog ihn hoch. »Unter welcher Flagge laufen Sie, Bruder?«
»Verzeihung«, sagte ich. »Unbegriffen.«
»Wie Sie heißen«, sagte er etwas pikiert.
»Luther. Das ist Jake. Und sie ist Oktobrjana.«
»Mann«, sagte er. »Verdammte Russen. Ich kannte mal einen, der nannte sich Ruhm der Revolution. Mein Name ist Norman Quarles. Nennen Sie mich Doc. Haben Sie das Mädchen zu zweit aus dem Sumpf getragen?«
»Ich allein«, sagte Jake. Er bückte sich, umfaßte ihre Schultern mit dem guten Arm, hob sie auf.
»Vorsichtig«, sagte Doc, dann merkte er, daß Jake keine Mühe hatte, sie zu tragen. Trotzdem faßte er sie bei den Beinen, um das Gewicht zu verringern. Zu zweit brachten sie Oktobrjana auf den Rücksitzen unter, und Jake setzte sich neben sie, um sie aufrecht zu halten. Nachdem ich mich vergewissert hatte, daß der Straßenrand frei von unseren Habseligkeiten war, ergriff ich den Kofferraumdeckel, verblüfft von seinem Gewicht, und warf ihn zu.
»Ihr Wagen gepanzert?« fragte ich Doc, da ich außer Sicherheitsgründen keinen Anlaß zu
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