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Ambient 04 - Terraplane

Ambient 04 - Terraplane

Titel: Ambient 04 - Terraplane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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mit knirschendem Ruck herum. Der Blonde blieb bäuchlings ausgestreckt, starrte aber mit offenen Augen zur Decke. Von unten hörte ich, gedämpft durch den Teppich, fröhlichen Gesang; für kurze Zeit brachte Johnson allen Freude, die ihn hörten. Ich konnte nur hoffen, daß diejenigen unter den im Club Versammelten, die bemerkt hatten, was über ihnen vorging, es nicht weiter beachten würden. Keine dreißig Sekunden waren vergangen.
     
    »Hot tamales and the red hots –
    yeah, she gottem for sale.
    Got a gal that's long 'n' tail.
    Sh'sleeps in th'kitchen with her feet in the hall …«
     
    Jake äugte die Hinterlassenschaften seines Gewerbes und atmete keuchend, als hätte sein Talent sogar die eigenen Erwartungen überwältigt. »Moderne Zeiten«, sagte er. »Postmoderne Reaktion. Vergib, Luther.«
    Wandas Schultern stemmten sich gegen mich, als sie von mir fort und aus der Küche zu kriechen suchte; ich hielt sie fest und verschloß ihr den Mund mit einer Hand, die Dezibels zu verringern. »Schon gut«, wiederholte ich den einzigen Satz meiner Idiotenlitanei. »Schon gut. Es ist schon gut. Es ist schon gut. Es ist …« Ihre Tränen benetzten meine Hand; als sie sich erbrach, nahm ich die Hand weg und ließ sie tun, was sie nötig hatte. Ich blickte zurück in die Küche, wo Oktobrjana inmitten des Schlachthauses ihren Trainingsanzug schloß, fühlte meinen Magen rebellieren und veränderte die Blickrichtung rasch wieder zum Wohnzimmer, wo das einzige Opfer sich genauso blutlos zeigte. Jake untersuchte seinen Anzug; wie erwartet, war er bis auf die Stellen, wo er sich am Morgen mit seinem Saft bespritzt hatte, makellos wie frischer Schnee. Oktobrjana kam auf schlüpfrigen Sohlen nach vorn, hinterließ rote Fußabdrücke auf dem Teppich. Aus der Küche drang tropfendes Geräusch; der Schlachthausgeruch überwältigte bereits, und ich mochte nicht daran denken, wie rasch und wie weit er sich in dem heißen Wetter ausbreiten würde.
    »Was verursachte die Verzögerung?« fragte ich Jake. »Doc ist tot.«
    »Gewußt«, sagte er. »Keine Chance, mit der Säge hinaufzukommen, Luther, ohne zuerst die Kisten zu stapeln. Ich bin kein Superman.«
    Oktobrjana schlang die Arme um ihn und drückte, bis ihm die Augen aus den Höhlen traten. »Du bist gesund, Jake«, sagte sie, die Augen plötzlich tränennaß. »Doc …«
    »Wir können ihn nicht so liegen lassen«, sagte ich. »Jake. Hilf mir!«
    Als unglückliche Bahrtuchhalter bargen wir Docs Leichnam; mit Mühe – er mußte hundertdreißig Kilo gewogen haben, sogar ohne Blut – schleppten wir ihn ins Vorderzimmer, legten ihn auf das Sofa.
    »Wir müssen fort von hier«, sagte Wanda und überraschte uns mit ihrer heiseren Bestimmtheit, als sie sich auf die Beine zog. »Die Wagenschlüssel. Sie sind in Normans linker Hosentasche. Nehmen Sie sie heraus.«
    Oktobrjana ging zu ihm, griff in die Tasche, suchte, schien überrascht von etwas, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, was es war. »Diese?« fragte sie und warf die Schlüssel Wanda zu. Dann führte sie die Finger zu Docs Gesicht, zog ihm den Schnurrbart ab und ließ ihn wie eine tote Raupe auf den Tisch fallen. Keiner von uns sagte etwas.
    »Können sie uns nicht anhand der Autonummer verfolgen?« fragte Jake.
    »Wir wechseln die Nummernschilder aus«, sagte Wanda. Ihre Stimme war auf einmal erschreckend ruhig. Sie zeigte keines der Anzeichen von Schock, obwohl sie vielleicht auf der Lauer lagen, um später hervorzubrechen. »Das ist alles, was wir tun müssen, außer schnell von hier zu verschwinden. Es muß tausend schwarze Terraplanes wie den unseren in der Stadt geben, und solange wir nicht allzu sichtbar sind, werden sie uns nicht so schnell finden.«
    »Wer hat Nummernschilder?« fragte ich.
    »Cedric«, sagte sie. »Geben Sie mir das Telefon. Ich werde mit ihm reden. Schnell, Luther. Noch eine halbe Stunde, und sie werden einen Gefangenentransporter schicken und uns alle einsacken.« Sie nahm den Hörer, streifte seine lange schwarze Kordel zur Seite und wählte die Nummer. »Decken Sie ihn zu!« fügte sie kaum hörbar hinzu. Oktobrjana faßte eines der Laken, die er uns am Vorabend gebracht hatte, wir nahmen jeder ein Ende und deckten unseren Freund damit zu. Sofort zeigte das Weiß des Lakens die frische rote Wunde.
    »So ein guter lieber Freund«, sagte Oktobrjana. »Halt mich, Jake!«
    Ohne zu zögern, legte er die Arme um sie, und bevor er ihre Mitte umfaßte, bemerkte ich, wie seine Hand zitterte.

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