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Ambient 04 - Terraplane

Ambient 04 - Terraplane

Titel: Ambient 04 - Terraplane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Als ich dastand, überschwemmt von Gefühlen, die an die Oberfläche kommen zu lassen ich mir nicht leisten konnte, fragte ich mich, was im Laufe der Zeit erst noch geschehen würde, wenn unsere Anwesenheit für die wenigen, mit denen wir direkt in Berührung gekommen waren, so schreckliche Folgen haben konnte. Was hätte Doc getan, wären wir nicht gekommen? Was hätten die Menschen, die Doc gekannt und die er behandelt hatte, getan? Riffelwellen unseres schlecht geworfenen Steins mochten am Ende den Ozean durchwandern. Die Verantwortung überwältigte; ich sperrte meinen Verstand ein, wohin er gehörte, und legte solche Gedanken einstweilen beiseite.
    »Cedric?»sagte sie. »Wanda. Ich brauche deine Hilfe, Junge. Norman ist tot. Polizisten erschossen ihn. Ja, so ist es. Nein, nein, sie sind bereits versorgt.« Sie hielt inne. »Wir müssen weg, Cedric! – Nein, jetzt! – Ich habe eine Idee, wohin wir können. Aber wir brauchen neue Nummernschilder für den Wagen. Wieviel willst du dafür?« Sie lauschte schweigend. »Das meine ich nicht, Cedric, sag mir einfach, wieviel. Also gut, dann bringe ich, was ich habe, und du kannst nehmen, was dir recht ist. Können wir hinüberkommen?« Wanda schüttelte den Kopf. »Nein, komm nicht hierher! Tue nicht einmal so, als ob du jemals hier gewesen wärst. Das ist mein Ernst. Du darfst es nicht wissen wollen, verstehst du? Alles klar. Wir kommen gleich.« Sie legte auf. »Ich muß mein Geld herausholen«, sagte sie.
    »Er hat Ersatzschilder?«
    »Er hat gewöhnlich, was man braucht. Es ist immer gut, einen wie Cedric zu kennen.« Sie ließ sich auf alle viere nieder, beugte den Oberkörper wie um zu trinken, langte unter das Sofa und entnahm seinen Eingeweiden einen kleinen Metallkasten. Bevor sie sich erheben konnte, glitt Docs Hand unter dem Laken heraus; vielleicht eine verzögerte motorische Reaktion. Als sie ihren Hals streifte, wußte sie, wessen Hand es war; sagte nichts, erschauerte aber wie eine angeschlagene Stimmgabel. Ohne hinzusehen, nahm sie seine Hand und legte sie zurück unter das Laken. Mit einem von Docs Schlüsseln sperrte sie den Kasten auf und entnahm ihm eine dicke grüne Rolle, fest umwickelt mit einem Gummiband. Diese steckte sie zwischen ihre Brüste in die Bluse.
    »Werfen Sie einen Blick zur Straße hinaus«, sagte sie. »Aber lassen Sie sich nicht sehen. Irgendwelche anderen Polizisten in Sicht?«
    Ich spähte hinaus. »Die Luft ist rein.«
    »Der Wagen parkt drüben in der Dreiunddreißigsten. Lassen wir alles da, was wir nicht unbedingt brauchen. Vorwärts!«
    Wir folgten ihr und ließen Oktobrjanas Koffer zurück, ihre Papiere und Bücher, Aljechins Bildnis des großen Mannes; wir ließen die Küche mit ihrem gräßlichen Inhalt zurück; und schließlich ließen wir Doc zurück, und es traf mich, daß Wanda ihr Leben ohne viel Gedanken und erkennbares Bedauern zurückließ. Wie ich ihrer Lebensgeschichte entnommen hatte, war sie verschiedene Male gezwungen gewesen, das zu tun; ob sie sich daran gewöhnt und eine fatalistische Einstellung zu ihrem Schicksal angenommen hatte, konnte ich nicht sagen. Wir gingen die Straße hinauf und erreichten nach wenigen Minuten den Wagen. Aus dem Abyssinia ertönte Applaus.
    »Können Sie fahren?« fragte ich, als Wanda sich ans Lenkrad setzte.
    »Können Sie?« Der Wagen winselte, als sie die Zündung einschaltete, wollte nicht anspringen; als er dann nachgab, setzten wir uns langsam in Bewegung und manövrierten zwischen zwei Mannschaften kleiner Jungen durch, die mit abgesägten Besenstielen Straßenhockey spielten. Wir umkreisten den Block, bogen in die Eighth Avenue und fuhren wieder an dem Haus und allem vorbei, was darin lag, und nahmen unter der überhängenden Hochbahnbrücke Kurs auf Cedrics Haus, hielten bei jedem Blaulicht, fuhren bei jedem Orange, suchten jede Kreuzung nach Anzeichen von Polizei ab. Wanda bog nach links in die Seitenstraße ein, passierte einen Süßwarenladen und lenkte den Wagen in die Zufahrt zu einem scheinbar aufgelassenen Ziegelschuppen hinter dem Haus. Über der bogenförmigen Einfahrt war ein steinerner Pferdekopf. Sie drückte zweimal auf die Hupe, der eiserne Rolladen am Eingang hob sich und gab die Einfahrt frei. Im Licht der Scheinwerfer lehnte Cedric in Hemdsärmeln an der Rückwand des Schuppens. Der eiserne Rolladen rasselte hinter uns herab.
    »Seine Lieferungen kommen auf diesem Weg«, sagte sie und schaltete den Motor aus. Cedric kam auf uns zu. Ich bemerkte,

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