Ambient 04 - Terraplane

Titel: Ambient 04 - Terraplane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack

Vom Netzwerk:

Deutschland. Es heißt, sie würde eine Weile nicht zurückkommen.«
    Der noch überlebende Zeppelin ließ uns bald zurück und verschwand in der Nacht, während wir die Ausläufer von Queens durchfuhren und aufs Land kamen. Ausstellungsgelände wurde Fabrikgelände, wurde Bauerngehöft und Feld. Der Mond warf Schatten über Moor und Wald. Die Straße wurde schmaler, und vor uns leuchtete alles in negativem Licht, während wir dahinfuhren. Bald verengte die Straße sich so, daß die Sträucher am Straßenrand mit ihren Zweigen die Seiten unseres Wagens streiften, wie um uns zurückzuhalten. Keine anderen Wagen befuhren diese Strecke.
    »Noch weit?« fragte ich mit dem Gefühl unbefriedigter Erwartung, das sich immer einstellt, wenn die erwartete Ankunftszeit an einem Ziel unbekannt bleibt; wenn jede Minute sich in erfahrener Dauer verdreifacht. Daß wir auf einer Bundesfernstraße fuhren, verblüffte mich; ihr einziger Unterschied von einem landwirtschaftlichen Fahrweg war das lückenhafte Pflaster. Gelegentlich erschienen Hinweisschilder und zeigten die schrecklich vertrauten Namen, die ich mit Zerstörung, Ruinen und unverzeihlicher Verwüstung in Verbindung brachte; Namen aus den alten Tagen, hier draußen.
    »Zwanzig Minuten, vielleicht«, sagte sie. »Kann mich nie an den Namen der verdammten Straße erinnern, an der es liegt, aber wenn ich sie sehe, erkenne ich sie. Weiß nicht mal, ob sie überhaupt einen Namen hat, wenn ich es recht bedenke. Aber wir werden gut aufgehoben sein, da draußen.«
    »Für wie lange?«
    »Lange genug«, sagte sie. »Natürlich werden wir irgendwann entscheiden müssen, was zu tun ist.«
    »Wir?« sagte ich. »Warum schließen Sie sich selbst mit ein?«
    »Ich stecke genauso tief in dieser Scheiße wie Sie, Luther. Beihilfe zum Mord an zwei farbigen Polizisten und zwei weißen FBI-Beamten. Das hängen sie jetzt uns allen an. Mich können sie wegen Beherbergung gesuchter Personen, Beihilfe zur Flucht und Verschwörung belangen. Es gibt fast nichts, was wir nicht getan haben.«
    »Welche Optionen gibt es?«
    »Für mich?« fragte sie. »Keine. Wenn ich zurückgehe und sage, was geschehen ist, bin ich geliefert. Wird nicht lange dauern, bis sie mich auf dem elektrischen Stuhl haben. Entschuldigungen gelten nichts bei den Richtern am Farbigengericht.«
    »Welche Optionen gibt es für uns?«
    »Weniger als keine«, sagte sie. »Es wird für Sie alle der elektrische Stuhl innerhalb eines Monats sein, es sei denn, Sie würden vorher gelyncht. In Riverside Park haben sie erst vor einem Monat einen armen Teufel gelyncht.«
    »Aber je länger Sie bei uns sind, desto tiefer …«
    »Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Kann nirgendwo sonst hingehen. Wenn ich versuche, nach Kanada zu gehen, werden sie mich an der Grenze schnappen. Nach allem, was ich höre, ist es da oben nicht so viel anders, sie sind bloß nicht so ekelhaft. Ich weiß nicht …«
    »Alles dient einem Zweck«, sagte ich; es war die billigste Lüge, die ich kannte; trotzdem wollte ich sie nur damit trösten.
    »Scheiße! Endlich hatte ich ein einfaches, ruhiges Leben. Nicht das glücklichste Leben, aber ich konnte mit allem darin fertigwerden. Dann kamen Sie daher. Und nun sehen Sie selbst …« Sie sagte es mehr resigniert als zornig, was mich erleichterte.
    »Wir beabsichtigten keine Störung«, sagte ich.
    »Ich weiß. Gute Absichten. Was geschehen ist, ist geschehen.«
    Endlich verlangsamte sie und bog auf eine noch primitivere Straße ab, die nach links führte; sie war so schlecht befestigt, daß jedes Schlagloch und jeder Stoß uns in die umgebenden Wälder zu werfen drohte. Unsere Scheinwerfer waren das einzige Licht weit und breit.
    »Da sind wir«, sagte sie, als das Haus in Sicht kam; durch den Umhang der Nacht gesehen, zeigte es sich als ein herrschaftliches Landhaus alten Stils, von dem Typ, in dem sich Dutzende verbergen können. Es war zweigeschossig, aus Stein, weitläufig und mit hohen, aus Ziegeln gemauerten Kaminen. Bäume umstanden es auf drei Seiten, die vierte Seite öffnete sich zur See. Als wir uns einem kleinen Gebäude hinter dem Haus näherten, hörte ich Trommelschläge, Kanonendonner: die Brecher der Brandung. Jenseits der zum Strand abfallenden Wiese glaubte ich die im Mondlicht schimmernde Ebene des Ozeans auszumachen. Wir fuhren in eine baufällige Garage, hielten und stiegen aus. Wanda zog das Garagentor mit einem dicken Seil zu.
    »Was war das?« fragte Jake, als wir den Gehweg hinaufwanderten.