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Ambler by Ambler

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Titel: Ambler by Ambler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler by Ambler
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gedacht. Ein bißchen habe ich darin immer gelesen, beim Lunch oder in der Bahn, um mir in Erinnerung zu rufen, daß ich mich wissenschaftlichen Methoden und rationalem Denken selbst dann verpflichtet fühlen würde, wenn ich als Verbrecher enden sollte. Jevons war mein Brevier. Daneben trug ich ein dreißig Jahre altes, zerschlissenes Exemplar von Winwood Reades Martyrdom of Man bei mir. Sherlock Holmes hatte Watson, in ihrer ersten Zeit in der Baker Street, eben dieses Buch ganz beiläufig empfohlen, und es war diese Empfehlung, die mein Interesse für das Buch geweckt hatte. Es war wie eine Offenbarung für mich gewesen. »Übernatürliches Christentum ist falsch. Beten ist zwecklos. Die Seele ist nicht unsterblich. In einem zukünftigen Staat gibt es weder Belohnungen noch Strafen.« Kein Wunder, daß ein Konformist wie Watson sich damit nicht anfreunden konnte. Es war das Buch, das ich mir für ernsthafte Lektüre auf Parkbänken aufhob. Für die Theaterkassenschlangen hatte ich Taschenbuchausgaben von Stevensons Romanen und Erzählungen bei mir.
    Ich war natürlich theaterbesessen, aber wohl nicht auf die einfältige Art. In einige Stücke bin ich oft gegangen und habe besonders gute Szenen dabei rasch notiert, um nachprüfen zu können, wie sie auf dem Papier aussahen. Eine Zeitlang war ich imstande, A Cuckoo in the Nest von Ben Travers Wort für Wort herunterzurasseln, als wenn ich den Bühnentext hätte, und von der Aldwych-Inszenierung war mir jedes kleine Detail vertraut. Ich klapperte die Cafés, Imbißstuben und Kneipen ab, in denen die Bühnentechniker und die Regieassistenten verkehrten. Ich war ein passionierter und schamloser Lauscher. Von Keith Prowse erfuhr ich die Sitzkapazität eines Theaters. Nur aus den Fachsimpeleien abseits der Bühne konnte ich mir jene besonderen Ortskenntnisse verschaffen, die ich zu benötigen glaubte. Das Criterion beispielsweise hatte keinen Schnürboden, die Bühne des Winter Garden hatte eine unregelmäßige Neigung, das Embassy hatte keinen Raum unter der Bühne. Wenn man mir gesagt hätte, daß derartige Informationen für einen Autor unwichtig seien, hätte ich wahrscheinlich zugestimmt. Und hätte trotzdem weitergesammelt. Inzwischen war ich vernünftig genug, um zu wissen, daß ich, falls ich je ein Autor von aufführenswerten Stücken werden sollte, meinen Lebensunterhalt während des Schreibenlernens verdienen mußte. Am besten, so sagte ich mir, wäre ein Job, der irgendwie mit dem Theater zu tun hätte. Dramaturgie klang zu anspruchsvoll. Aber für den Job eines Elektrikers war ich bestimmt qualifiziert, zumindest teilweise.
    Das Coliseum hatte von allen Londoner Theatern die größte Bühne. Das würde bedeuten, daß man dort die größte Bühnenbeleuchtung und den größten Bedarf an Elektrikern hätte. Geprobt wurde gerade eine Weihnachtspantomime. Ich bewarb mich. Meine Bewerbung wurde von einem dicken Mann in rotem Pullover und von einem dünnen Mann in Monteurskluft geistesabwesend aufgenommen. Wir standen vor dem Bühneneingang. Als ich aufhörte, meine Qualifikationen aufzuzählen, schaute der Dicke zu dem Stückchen Himmel hoch, das über dem Durchgang zu sehen war, und hüstelte.
    »Wird Regen geben, Jack«, sagte er.
    Jack grunzte zustimmend und wies dann mit dem Kopf auf meine Aktentasche. »Was ist da drin, Kleiner?« fragte er. »Dein Essen? Warenproben?«
    »Bücher.«
    »Bei welcher Gewerkschaft bist’n? Bühnenarbeiter bestimmt nicht, was? Elektriker? etu? act? tgw? «
    Er wollte mich aufziehen, doch ich blieb ganz ernst. »Bis jetzt nur die Studentenvereinigung. Hab noch nie einen richtigen Job gehabt.«
    »Na ja, auch ne Antwort. Gehst noch zu Schule, aber willst einem Arbeiter, der eine Familie zu ernähren hat, die Butter vom Brot nehmen. Stimmt’s oder hab ich recht?«
    »Ich versteh ein bißchen was von Schalttafeln und Bühnenbeleuchtung.«
    Der Dicke hüstelte wieder. »Er nimmt dich auf den Arm, Jack«, sagte er. »Studenten sind eine geile Bande. So’n junger Mann wie er hier hat’s bestimmt nur auf die Tanztruppe abgesehen. Sucht bloß was zum Bumsen.«
    Jack tat zutiefst schockiert. »Aber, aber! Stimmt das, Kleiner? Wir haben ne schmutzige Phantasie, was? Also, was soll’s denn sein? Na los, sag schon! Jungs oder Mädchen?«
    »Weder noch«, sagte ich törichterweise.
    »Anstatt mit seinem Patschhändchen herumzufummeln, will er an den Lichtschaltern herumspielen«, sagte der Dicke. »Er weiß, daß wir für seinesgleichen

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